Mit Überschall durchs Internet – der Handel der Zukunft

Am 17. Juni veranstaltete der Handelsverband in Wien unter dem Titel "Game Changer E-Commerce" seinen 15. Versandhandelstag. Im Mittelpunkt der Expertenvorträge stand die Frage "Wie reagiert der Handel auf die Online-Herausforderung?". Innovationen im E-Commerce, Best Practices und Podiumsdiskussionen, sowie das Thema rund um die "letzte Meile" wurden präsentiert und diskutiert. Sprecher wie Andreas Winiarski von Rocket Internet SE, Matthias Zacek von Google Austria GmbH, Thomas Papendieck der Otto Group und Eva Stüber vom ECC Köln begeisterten das Publikum. Anlässlich der Konferenz wurde auch die Studie "Konsumentenverhalten im Distanzhandel 2015" erstmals der breiten Öffentlichkeit vorgestellt, und es wurden die "Austrian Trustmark Awards 2015" verliehen.
Unter den zahlreichen Besuchern waren auch: Thomas Marx (bauMax), Roger Niederer (PayLife Bank), Thomas Schöfmann (Conrad Electronic), Claudia Siebert (Home Shopping Europe), Florian Größwang (Wein & Co), Maurits Bruggink (EMOTA - European Multi-channel and Online Trade Association), Thomas Twardawa (Gebrüder Götz), Marlies Wech (Huber Shop) und Susanne Czech (European Retail Round Table).
Den ganzen Bericht über die Veranstaltung finden Sie unter dem Punkt "Nachbericht", Fotos der Veranstaltung finden Sie unter "Impressionen".
Sprecher
Nachbericht
„Wir sind mitten in einer Revolution im Handel“ so eröffnete Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des österreichischen Handelsverbands den 15. Versandhandelstag, der mit einem weiteren Besucherrekord an den Erfolg der letzten Jahre anknüpfte. Bei einer inspirierenden Reise in das Silicon Valley wurde Mayer-Heinisch ein Blick in die Zukunft geboten, die er den Gästen auch mit den Worten „Reinvent or die“ ans Herz legte. „Die Welt ist unglaublich verändert“, so Mayer-Heinisch weiter „sie verlangt nach neuen Menschen, neuem Denken und neuen Zugängen. Der Versandhandelstag soll uns Ideen geben, wie man zukünftig damit umgeht“.
The winner takes it all
Als Keynote zeigte Andreas Winiarski von Rocket Internet SE, wie hoch die Latte rund um Online-Innovationen bereits liegt. Das Geschäftsmodell scheint einfach: Es wird in gute Ideen und Businessstrategien von jungen, smarten Menschen mit hohem Tech-Knowhow investiert und diese werden dann rasant umgesetzt. Genau diesen Trend unterstützt Rocket.
Die Digitalisierung der Welt ist für Rocket gelebte Realität und auch das Smartphone ist längst angekommen. „Damit verhält es sich wie bei Zahnpasta, einmal aus der Tube raus, bekommt man sie nie wieder rein“, erklärt Winiarski. Das „Global Village“ – also das Zusammenwachsen der Welt durch elektronische Vernetzung – breitet sich aus. Das gleiche Phänomen bildet sich auch bei den Handelswarenströmen ab. Bei all der Entwicklung liege der Fokus aber trotzdem klar auf dem Faktor „Mensch“. Deshalb sei es wichtig, Marken authentisch zu kommunizieren und auf Augenhöhe mit den Kunden zu sein. Eine wichtige Zielgruppe stellen die „Early Adopters“ dar, schließlich sind sie die Generation der Zukunft. Aber auch die Generation 50+, die so genannten „Silver Surfers“ darf man nicht außer Acht lassen.
Als Zukunftsmärkte sieht Rocket nicht die großen, bereits gut erschlossenen Länder, sondern fokussiert auf die südliche Hemisphäre. „Man muss sich bewusst sein, dass wir in Europa nicht der Nabel der Welt sind“, erklärt Winiarski, schließlich liegen in Ländern wie Afrika und Südostasien nicht nur die Ressourcen der Welt, sondern auch potentialträchtige neue Märkte. Das ambitionierte Ziel von Rocket ist es, durch die eigenen Startups der Homescreen der Welt zu werden und damit alle Apps am Smartphone abzudecken.
Der Handel im Wandel
Die bereits 6. Studie in Folge zum Konsumentenverhalten im Distanzhandel wurde vom Handelsverbands und der Plattform „Versandhandel und E-Commerce“ beauftragt und die Ergebnisse, präsentiert von Ernst Gittenberger der KMU Forschung Austria, sorgten auch dieses Jahr wieder für die eine oder andere Überraschung. Vor allem Smartphone-Shopping boomt. Hier verzeichnen die Ausgaben ein Plus von 40 % zum Vorjahr. Die Generation der 50-59jährigen hat Distanzhandel als adäquate Einkaufsform für sich entdeckt und verzeichnet eine Steigerung um 7 %. Die wachsende Anzahl an Käufern (plus 120.000 Personen) hat zu einem Umsatzwachstum geführt und erstmals die 7,1 Milliarden-Marke durchbrochen. Auch die Samstagszustellung wurde thematisiert, hier sprechen sich bereits 37 % der Verbraucher für dieses Service aus.
Österreicher zufriedener als Deutsche
Die aktuelle Studie „Erfolgsfaktoren im E-Commerce – Top-Online-Shops in Österreich 2015“ von ECC Köln, Handelsverband Österreich, Österreichischer Post und Google Austria präsentierte Eva Stüber, Leiterin Research und Consulting am ECC Köln. Die Studie zeigt die hohe Dynamik im Online-Handel und auch den starken Wettbewerb, der hier herrscht. Feinheiten entscheiden über Top oder Flop, die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bewegen sich insgesamt aber auf hohem Niveau. Außerdem zeigt sich, dass Österreicher eine höhere Kundenzufriedenheit mit Online-Shops aufweisen als Deutsche.
Jenseits des Faktors „Preis“
Wie Thalia die Kunden jenseits des Faktors „Preis“ binden möchte, berichtete Andrea Hassel, Bereichsleiterin E-Commerce & Digital bei Thalia Buch & Medien GmbH. Für Thalia ist die Verschmelzung von offline und online längst Realität geworden. Durch Click & Collect, online Verfügbarkeitsprüfung, Retouren-Service, Geschenkkarten als Zahlungsmittel und Bonuskarten erhalten die Kunden zusätzliche Services, die sie auch schätzen. Mit der neuen App hat Thalia einen weiteren Schritt in Richtung digitale Zukunft gesetzt. Individualisierung der Startseite, Barcode scannen und Leseproben sind weitere Services für den Kunden und zukünftig sollen auch noch die Favoritenfiliale und Verfügbarkeitsprüfung hinzukommen. Man muss den Kunden ein Erlebnis bieten, das sie woanders nicht bekommen, meint Hassel.
The moments that matter
Auf welche Momente kommt es wirklich an? Diese Frage stellte sich Matthias Zacek von Google Austria GmbH. Was jenseits des Faktors Preis liegt, beantwortet Google mit den „Zero Moment of Truth (ZMOT)“, welcher den Moment des Online-Entscheidens beschreibt. Kunden suchen nicht immer nach dem billigsten Angebot, es kommt ihnen bei der Auswahl der Produkte auf viele verschiedene Kriterien an, meint Zacek. Wichtig sei es nur, nach vorne zu schauen und sich nicht vor dem Smartphone und neuen Technologien zu fürchten.
Am Podium wurden im intensiven Austausch mit dem Publikum verschiedenste Aspekte der Themen Kundenbindung, neue Services und Entwicklungen sowie der Faktor Mensch diskutiert. Der Google Kaufbutton und smarte Erweiterung der Google Suche waren genauso Thema, wie Unterschiede österreichischer und deutscher Kunden oder die Online Bestellung und Abholung am selben Tag. Auch die „letzte Meile“ wurde umfassend thematisiert. Probleme des „Silo-Denkes“ bei Bestellungen zwischen Filiale und Zentrallager sowie mögliche Lösungen wurden diskutiert.
Verleihung der Austrian Trustmark Awards
Ein Highlight der Veranstaltung waren die Austrian Trustmark Awards, die vom Geschäftsführer des Handelsverbands Rainer Will und dem diesjährigen Sponsor, Santander Consumer Bank GmbH durch Karl Jung verliehen wurden.
Als Bester Online Shop setzte sich www.sport2000rent.com durch, als Bester Mobile Shop oder App wurde die Schrack LiVE Phone App ausgezeichnet und in der Kategorie Bester Newcomer triumphierte der Webshop von www.baumax.com/at.
Die Verleihung war zugleich auch ein Sneak Preview für ein europäisches Trustmark, welches das Vertrauen im Binnenmarkt stärken soll.
Von Schweineleasing und intelligenten Socken
Mit einem kräftigen „Moin Moin“ begrüßte Thomas Papendieck von der Otto-Gruppe die Gäste des Versandhandelstags nach dem Mittagessen und zog sie sogleich mit den aktuellsten Trends und Innovationen in seinem Bann. Man staunte nicht schlecht, was im Onlinehandel bereits alles Realität ist: Vom Schweineleasing über den Onlinedoktor mit Sprechstunde, Gamification für die Markenbildung, Kaufberatung im Netz durch Outfittery, 3D Druck und die intelligente Socke – quer durch das Feld der Möglichkeiten führte die Reise. Transparenz und Offenheit seien die wichtigsten Faktoren der heutigen Zeit, schließlich möchte der Kunde wissen, wo seine Produkte herkommen. Auch im Bereich der Zustellung gibt es neue Konzepte: Ein weltweiter Versand ist bereits jetzt möglich, die Lieferservices „Doddle“ und „Mein Kofferraum“ eröffnen neue Möglichkeiten. Die Zukunft sieht Papendieck bei „Variables“, „Augmented Reality“ oder Themen wie „Sensy“ mit Swipe zur like/dislike Funktion – eine Verbindung des klassischen Katalogs mit Facebook und dem Store.
Lieferungen werden digital
Stefan Heiglauer von der Österreichischen Post zeigte in seinem Vortrag, wo die Reise im Sektor Paketlogistik hingeht. Die Post orientiert sich mittlerweile sehr stark am Kundenbedarf und schafft Möglichkeiten einer 24/7 Abholung der Pakete mittels Empfangsboxen. Derzeit sind bereits 10.000 Empfangsboxen installiert und es wurden bereits 650.000 Pakete in dieser Form zugestellt. Bis Ende des Jahres will man dieses Service noch weiter ausbauen. Auch Wunschabholstationen und der digitale gelbe Zettel sind – dank neuer App – bereits umgesetzt. In Zukunft soll noch weiter in die Sicherheit investiert werden, damit weniger Bestellungen verloren gehen. Ein großes Thema ist die Samstagszustellung, welche gerade pilotiert und noch heuer ausgerollt wird.
Join a marketplace
„Es gibt keine Webshops von der Stange, die „Eier legende Wollmilchsau“ wurde auch hier noch nicht erfunden“, proklamierte Christoph von Lattorff, Country Manager von Mercateo, in seinem Vortrag. Auch im B2B-Bereich schreitet die Digitalisierung voran und es entstehen vermehrt Marktplätze. Wie dies funktionieren kann zeigte von Lattorff am Beispiel von Mercateo. Der Händler hat sich darauf spezialisiert ein möglichst breites und tiefes Sortiment anzubieten, um auch den „Long Tail“ in der Beschaffung abdecken zu können. Neben dem klassischen Bürobedarf bzw. Betriebsausstattungen, können Unternehmen also (fast) jeglichen Bedarf decken, egal wie exotisch. Erst kürzlich gab es, laut Herrn von Lattorff, eine Bestellung von zig Tausend Schnullern mit Fieberthermometerfunktion.
Die Online-Herausforderung des Handels
Neun Kinder und 300 Paar Schuhe vereinten die Teilnehmer der letzten Runde. Die abschließende Podiumsdiskussion zum Thema „Wie reagiert der Handel auf die Online-Herausforderung?“ bestritten Dunja Bacinger-Tomaschitz der Leder und Schuh AG gemeinsam mit Martin Groß-Albenhausen vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland, Andreas Heiz von SAS Institute Software GmbH und Dieter Kindl von Rakuten Austria GmbH. In der angeregten Diskussion stellte man sich die Fragen, ob manche der klassischen Modelle des Handels noch zu retten sind und ob Shops und Malls noch Zukunft haben. Multichannel und die Ausbildung der Mitarbeiter wurden ebenfalls angesprochen, wie auch die Firmenkultur von morgen.
Durch den Tag führte mit Elan und Knowhow Jan Radantisch, Gründer und Geschäftsführer der Smarter Ecommerce GmbH, der nicht nur das Netzwerken in Gang brachte, sondern auch spannende Diskussionen entfachte.
Unter den zahlreichen Besuchern waren auch: Thomas Marx (bauMax), Roger Niederer (PayLife Bank), Thomas Schöfmann (Conrad Electronic), Claudia Siebert (Home Shopping Europe), Florian Größwang (Wein & Co), Maurits Bruggink (EMOTA - European Multi-channel and Online Trade Association), Thomas Twardawa (Gebrüder Götz), Marlies Wech (Huber Shop) und Susanne Czech (European Retail Round Table).
Copyrights der Fotos zur Veranstaltung: Katharina Schiffl, © Handelsverband. Abdruck honorarfrei.
Rückfragenhinweis:
Susanne Schöfnagl, Communications Managerin, Handelsverband
E susanne.schoefnagl@handelsverband.at | T +43 (1) 406 2236-77