Wien, 14.04.2016 – Mehr Händler als je zuvor waren dabei, als gestern beim 26. Handelskolloquium in Schönbrunn der Mensch im Digitalisierungszeitalter im Mittelpunkt stand. Welche Berufe werden im Handel in fünf bis zehn Jahren gefragt sein? Wie teuer sind qualifizierte Arbeitskräfte in Österreich? Wie man die besten Köpfe findet und welche Chancen sich für den Handel ergeben waren einige der Fragen, auf die beim gestrigen Branchentreff des Handelsverbandes Antworten gesucht wurden.
Rund 130 BesucherInnen aus dem Handel folgten der Einladung in das Tagungszentrum des Schloss Schönbrunn, darunter Norbert Scheele (C&A), Franz Radatz (Radatz), Alexander Frech (Post), Kai Langnickel (Gebrüder Heinemann), Günter Pfisterer (Hartlauer), Roland Steyer (Ernsting`s family), Helmut Gahleitner und Vera Lacina(Arbeiterkammer), Michael Ströck (Ströck), Vincent Kastner (Kapsch), Kurt Vogl (Marionnaud), Thomas Seilern-Aspang (Personalberater), Harald Rametsteiner (FH. St.Pölten) Hermann Enenkel (Triumph).
Nachbericht
Frank Kohl-Boas, Google HR-Chef Central & Eastern Europe, gab in seiner Keynote Einblick in Googles mitarbeiterzentrierte Unternehmensphilosophie und zeigte auf, welchen Herausforderungen sich Führungskräfte im Zeitalter der Digitalisierung stellen müssen. Welche Veränderungen im HR-Bereich die jungen Millennials mit sich bringen zeigte Whatchado Gründer Ali Mahlodji in seiner Präsentation. Die weiteren Vorträge boten den rund 130 Gästen die Möglichkeit sich über die aktuellsten technologischen Trends und rechtlichen Rahmenbedingungen zu informieren und beim anschließenden Get-together auszutauschen. Charmant durch den Tag führte Moderatorin Daniela Zeller.
People First
„Wir brauchen in Zukunft gute Leute“, mit diesen Worten begrüßte Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbandes, die zahlreich erschienenen Gäste und war damit schon mitten im Thema des 26. Handelskolloquiums „Retail Jobs Reloaded“. Er unterstrich in seiner Eröffnungsrede die Wichtigkeit des Menschen im Unternehmen, der in Zeiten der disruptiven Entwicklungen den Unterschied ausmacht: „People First ist mein Credo. Mit 10 wirklich guten Leuten kann man jedes Unternehmen der Welt führen. Und wir sind in einer höchst disruptiven Welt in der wir gute Leute brauchen. Denn in der realen Welt sind wir mit Vorschriften und Richtlinien konfrontiert die die Veränderungen verschlafen haben und Arbeitgebern und Arbeitnehmern das Leben schwer machen.“
Sie müssen das Digitale Gen implementieren.
Er zählt zu den führenden Köpfen des Personalwesens in Deutschland und verantwortet als Head of HR bei Google die Personalarbeit für mittlerweile 22 Standorte in 20 Ländern in Europa. In Wien sprach Frank Kohl-Boas gestern darüber, was sich in den Köpfen der Verantwortlichen ändern muss, um sich auf die neuen Bedürfnisse der Arbeitnehmer einzustellen: „Veränderung gab es immer. Nun aber verändert sich alles exponentiell schneller. Kleine Ideen verwandeln ganze Marktmodelle dauerhaft. Uber und Airbnb zeigen wie schnell neue Player ganze Branchen in Bedrängnis bringen können.“ Kohl-Boas mahnt dazu, Innovationen im eigenen Unternehmen voranzutreiben und für Neues offen zu bleiben: „Man muss das eigene Tun überdenken und selbst Altbewährtes angreifen, bevor es jemand anderer macht. Die Innovationsgeschwindigkeit erhöht sich exponentiell. Egal wie groß oder klein Ihr Unternehmen ist, Sie müssen das Digitale Gen implementieren. Die `Das haben wir immer schon so gemacht-Einstellung` ist tödlich.“ In Sachen Mitarbeiterführung erläutert er die weitreichende Bedeutung des Google Credos „Allways asume good intent“: „Menschen suchen den Sinn in dem was sie tun und wollen ihr Bestes geben. Der Arbeitgeber gibt dir nur die Vision vor, schafft Orientierung und muss dann dem Mitarbeiter vertrauen. Werden Sie Führungskraft und nicht bloß Vorgesetzter.“ Am Ende seiner Keynote gibt er allen Anwesenden noch einen Rat mit: „Stellen Sie Leute ein die besser sind als Sie.“
Kollektivvertrag ist in Europa der einzige zulässige Kartellvertrag
Jens Winter, Rechtsanwalt und Partner bei CMS Reich-Rohrwig Hainz, leitete eine anschließende Diskussionsrunde ein, in dem er auch auf die veralteten rechtlichen Rahmenbedingungen einging, die seiner Meinung nach im letzten Jahrtausend stecken geblieben sind: „Die Millennials verlangen bestimmte Werte von einem Unternehmen, suchen Flexibilität und wollen keine starren Strukturen. Die rechtlichen Möglichkeiten schränken Unternehmen aber massiv dabei ein dies anbieten zu können. Die aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen können Änderungen bringen. Eine Vereinfachung wäre notwendig, denn die bisher hinzugefügten Normen sind bloß kosmetischer Natur und bringen oftmals Rechtsunsicherheit.“ Nicht unbemerkt vom Publikum weißt Winter in einem Nebensatz darauf hin, dass der Kollektivvertrag in Europa den einzigen zulässigen Kartellvertrag darstellt. Am Podiumsgespräch beteiligten sich dann neben Winter, Finanzchef Walter Gold (Bestseller retail A Einzelhandels GmbH), Strategieberater Peter Horvath (Institute of Brand Logic) sowie Thomas Krenn, General Manager bei der Charles Vögele Austria GmbH. Der Wunsch nach dringend benötigten Veränderungen war bei allen Diskutanten genauso groß, wie die Skepsis betreffend der Kollektivvertragsverhandlungen. , brachte Krenn den Frust der Branche auf den Punkt.„Der Einzelhandel hat sich in den letzten 30 Jahren völlig geändert, nur die Rahmenbedingungen sind gleich geblieben.“
Ich wollte 25% der Menschheit retten
Nachdem Sigrid Feurer, Personalleiterin der Fielmann GmbH, ihre Erfahrungen mit Millennials mit dem Publikum geteilt hat, kam Ali Mahlodji auf die Bühne. Seines Zeichens Gründer und CEO der Online-Plattform Whatchado. Mahlodji, der auf seinem Weg vom Flüchtlingskind in Traiskirchen zum Europäischen Jugendbotschafter, 40 Jobs ausübte und selbst Teil der Millennial-Generation ist, strich die Bedeutung der Orientierung für die Jugend von heute hervor: „Es geht mehr denn je darum Werte und Menschen in den Vordergrund zu stellen. Als Arbeitgeber hat man mit der Lebenszeit von Menschen zu tun, diese darf man nicht verschwenden. Was Menschen antreibt ist das `Warum`. Sieht man einen Sinn in seiner Arbeit und weiß man warum man etwas macht, wird man danach streben es bestmöglich zu machen.“ Als Mahlodji 2012 Whatchado ins Leben rief, hatte er einen Wunsch: „Ich wollte 25% der Menschheit retten“. Rund 25 % der Weltbevölkerung sind unter 15 Jahre alt.
Wie die neue Generation der Millennials den Handel verändert, wurde bei der anschließenden Gesprächsrunde diskutiert. Unter der Moderation von Martin Kowatsch, Leiter des Ressorts Human Resources im Handelsverband, kamen die betroffenen Millennials selbst zu Wort. Neben Mahlodji erklärten Kommunikationsexpertin Renata Fournanova, Jakob Winter, Journalist beim Profil sowie Startup Gründer Karl Edelbauer, worauf es im Umgang mit ihrer Generation ankommt. Edelbauer hatte für seine Job-Börsen-App „Hokify“ bei der Puls-4-Show "2 Minuten 2 Millionen" ein sechsstelliges Investment erhalten und möchte mit der App die Jobsuche vereinfachen. Trotzdem meint er: „Ein Algorithmus kann keine Recruitingentscheidung ersetzen. Das persönliche Gespräch im Bewerbungsprozess ist der schwierigste und wichtigste Teil.“ Fazit des regen Austauschs: Unternehmen müssen sich Menschen holen die den aktuellen Wandel mitmachen wollen.
Es braucht eine ausgeprägte Innovationskultur
Bevor beim abschließenden Programmpunkt „Future HR-trends in retail“ in der Diskussion ein Blick in die Zukunft gewagt wurde, gab René Massatti von Trendone einen Einblick in die teils atemberaubende Zukunft, mit all ihren technischen Möglichkeiten: „Ob Roboter, Virtual Reality oder intelligente Wearables, die heutigen und zukünftigen technologischen Errungenschaften werden den Handel und dessen Strukturen nachhaltig verändern“. Bei der Diskussion stand einmal mehr der Mensch im Mittelpunkt. „Die Führungskraft ist Schlüsselkraft und erster Ansprechpartner für Mitarbeiter“, so der Direktor Konzern-Personalwesen von REWE, Johannes Zimmerl. Auch Helmut Kasper, Leiter der Executive Academy an der Wirtschaftsuniversität Wien, schlug in dieselbe Kerbe: „Personalmanager werden zukünftig mehr denn je gebraucht werden. Leider kennen viele Unternehmen aber ihre eigene Jobdescription nicht. Das macht es schwierig geeignetes Personal zu finden.“ HR-Experte Alfred Berger von der Kienbaum Beratungen GmbH, wies darauf hin, dass man sich nicht nur auf die Millennials versteifen sollte: „Es braucht für alle Generationen Platz. Jeder hat seine Qualitäten. Diese zu erkennen und zu fördern ist Aufgabe der Führungskräfte“.
Nachdem Stephan Mayer-Heinisch das Handelskolloquium mit den Worten „Wir werden viele Dinge anders denken müssen und zwar sehr sehr schnell“ abschloss, fanden sich die Teilnehmer noch zum Networking und Austausch im blühenden Garten bei einem Glas Wein ein.
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