Das war der große HV POLIT-TALK "Wien Wahl 2020"
Wien wählt - die Landtags- und Gemeinderatswahl wird am 11. Oktober 2020 stattfinden. Ein guter Anlass, um die wirtschaftspolitischen Expertinnen und Experten der wahlwerbenden Parteien bereits im Vorfeld zu einer hochkarätigen Elefantenrunde in den Handelsverband einzuladen.
Am 29. September durfte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will als Moderator die folgenden Spitzenpolitiker im großen Pressesaal des Handelsverbandes begrüßen:
- Hans Arsenovic (Die Grünen)
- Markus Gstöttner (ÖVP)
- Udo Guggenbichler (FPÖ)
- Christian Höbart (Team HC Strache)
- Jörg Neumayer (SPÖ)
- Christoph Wiederkehr (NEOS)
Aufgrund der Covid-19-Situation und der neuen Vorgaben der Bundesregierung fand der HV POLIT-TALK ohne Publikum vor Ort statt. Das Event wurde hierfür digital begleitet, ein Online-Video wird in Kürze auf www.retail.at bereitgestellt.
Zehn ausgewählte PressevertreterInnen waren vor Ort im Saal zugelassen, um die Diskussion medial zu begleiten.
Jörg Neumayer (SPÖ) sprach sich u.a. für eine Attraktivierung des Wiener Handels sowie für eine Aufrüstung der Unternehmen in der Bundeshauptstadt mit digitalem Wissen aus. "Maßnahmen, die man in Corona-Zeiten setzt, etwa der Aufbau eines Webshops, sollten auch nach Corona wirken." In puncto Tourismuszonen gab sich der SPÖ-Spitzenpolitiker verhalten, eine Öffnung an Sonn- und Feiertagen dürfe nicht auf dem Rücken der kleinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschlossen werden.
Neumayer verteidigte auch die Verteilung der Gastro- und Taxi-Gutscheine in Wien: "Bei den Gastro-Gutscheine, die zu 80% genutzt wurden, sprechen wir von Kosten von 40 Mio. Euro", so der Landtagsabgeordnete. Diese unbürokratischen Werkzeuge seien in der Corona-Krise zusätzlich zu den Maßnahmen der Bundesregierung eingesetzt worden, um doppelt zu unterstützen.
Hans Arsenovic (Die Grünen) hob die Bedeutung des Umweltschutzes gerade auch in Krisenzeiten hervor: "Wir müssen aufpassen, dass sich nach der Corona-Krise und der Wien-Wahl auch etwas zu Gunsten des Klimas ändert!" Sein Herzensprojekt sei es, Wien zur Klimahaupstadt zu machen. Den bisherigen Corona-Hilfen stellte Arsenovic ein positives Zeugnis aus, so auch den Gastro-Gutscheinen: "Die Gastro-Gutscheine waren nicht nur eine Hilfe für die Wiener Wirte, sondern auch ein Dank an die Menschen dafür, dass sie den Lockdown durchgehalten haben."
Für die Zeit nach Corona plädiert der Regionalsprecher der Grünen Wirtschaft u.a. für eine Verkehrsberuhigung in der Bundeshauptstadt. Diese könne auch mehr Umsatz für die Händler bringen. Etwas überraschend sprach sich Arsenovic auch für eine zumindest temporäre Schaffung von Tourismuszonen auch in Wien aus.
Markus Gstöttner (ÖVP) fokussierte in seinen Statements auf die ÖVP-Kernthemen wie Bildung, Digitalisierung der Wirtschaft und Integration durch Leistung. Der ÖVP Kandidat bilanzierte positiv über die bisher zur Verfügung gestellten Corona-Hilfen. Ein wesentliches Ziel der Neuen Volkspartei sei auch der Erhalt bzw. die Schaffung neuer Arbeitsplätze: "Dafür müssen wir jetzt Impulse setzen, etwa die Schaffung von Tourismuszonen in Wien. Bevor eine autofreie Innenstadt kommt, wäre es wichtiger, die Lohnnebenkosten und Bagatell-Gebühren zu senken."
Herzensangelegenheiten seien für Gstöttner einerseits Leuchtturmprojekte im Bereich der Integration, andererseits auch Digitalisierungsoffensiven - denn der Mitbewerb sei weniger auf der Straße als im Internet. Angesprochen auf seine Koalitionsvorlieben nach der Wahl stellte er klar: "Wir sind angetreten, um mitzugestalten, die Möglichkeit einer 3er Koalition möchten wir nicht ausschließen."
Udo Guggenbichler (FPÖ) plädierte für ein innovatives Wirtschaftskonzept: "Wir brauchen dringend eine Lehrlingsoffensive. Es ist mittlerweile unfassbar schwierig, gute Lehrlinge zu bekommen. Wir brauchen aber auch eine Bildungsoffensive und eine Tourismusoffensive, vor allem für die Post-Corona Zeit." Hier müsse man stärker auf den nationalen Tourismus setzen, der bis dato vernachlässigt wurde.
Die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung wie auch der Stadt Wien bewertet der Landtagsabgeordnete als nicht besonders geglückt: "Von der Schließung der Bundesgärten über die Schaffung von PopUp-Radwegen bis hin zum Nicht-Ankommen der staatlichen Hilfen bei den vielen kleinen Gastronomen und Händlern." In puncto Tourismuszonen bzw. Sonntagsöffnung sprach sich Guggenbichler für eine Befragung der Arbeitnehmer aus.
Christoph Wiederkehr (Spitzenkandidat der NEOS) empfahl in seinem Eingangsstatement rasche Maßnahmen zur Förderung der Kaufkraft: "Der Handel ist von der aktuellen Krise besonders stark betroffen. Wir müsssen jetzt die Kaufkraft anschieben - durch eine Senkung der Lohnnebenkosten und die Abschaffung von unnötigen Gebühren können wir für Entlastung sorgen." Zur Unterstützung des innerstädtischen Handels brauche es überdies Planungssicherheit für Betroffene, aber auch eine Belebung der Einkaufsstraßen und die aktive Bekämpfung von Leerstand. Auch der weitere Ausbau der Wiener Verkehrsmittel sei entscheidend.
Das zentrale Projekt der NEOS sei weiterhin die dringend notwendige Bildungsreform. Die Corona-Hilfen von Stadt und Bund wiederum bewertet der NEOS-Spitzenkandidat zumindest anfänglich als gut, mittlerweile sei der Schwung jedoch komplett weg. "Die Gastro-Gutscheine in Wien waren eine reine Verteilaktion mit Inseraten. Wir fordern stattdesssen aber eine flächendeckende Unterstützung und die Abschaffung der Freunderlwirtschaft in Wien."
Christian Höbart (Team HC Strache) bezeichnete Corona als schlimmste Krise der zweiten Republik mit einem dramatischen Wirtschaftseinbruch von -14%: "Der ZickZack-Kurs von Bund und Stadt Wien sowie die laufende Angstmacherei in der Kommunikation sind einfach nicht gut." Stattdessen brauche es jetzt eine Entrümpelung der Gebühren und eine Abflachung der Hierarchien.
Nach Corona sei eine Verkehrsberuhigung der Innenstädte durchaus vorstellbar, aber nicht nur in den inneren Bezirken, sondern auch außerhalb des Gürtels. Die Schaffung von mehr Parkraum sei sowieso immer aktuell: "Ich wünsche mir etwa ein stärkeres Zusammenspiel der Stadt Wien mit dem Land Niederösterreich", so Höbart.
Einigkeit bei Abschaffung der Mietvertragsgebühr
Während die Positionen der sechs Spitzenpolitiker bei den meisten Themen sehr unterschiedlich ausfielen, fand sich gegen Ende doch noch eine konkrete Maßnahme, auf welche sich alle Parteien einigen konnten: die möglichst rasche Abschaffung der Mietvertragssgebühr – ein Relikt aus der Zeit Maria Theresias.
"Wir freuen uns über den laufenden Austausch und insbesondere darüber, dass alle Parteien dem Handel eigene Schwerpunkte widmen", so Handelssprecher Rainer Will, der die Diskussion moderierte, abschließend.
