Stellungnahme zu undifferenzierten Preisvergleichen


Wien, 1.10.2015 - Angesichts laufend erhobener Vorwürfe, heimische Händler würden sich eines „Österreich-Aufschlags“ zu Profitzwecken bedienen, sehen wir uns gezwungen für Aufklärung zu sorgen. Die höheren Preise, soweit vorhanden, haben strukturelle Ursachen. Um die Preisgestaltung zu verstehen, muss man sich die Rahmenbedingungen in Österreich ansehen. Ein unreflektierter Vergleich mit anderen Ländern, im speziellen Deutschland, ist nicht seriös und desinformiert die österreichischen KonsumentInnen.

Grundsätzlich sei gesagt, dass kein Land der Erde dasselbe Preisniveau wie ein anderes Land hat. Dieser Umstand ist auf unterschiedliche länderspezifische Gegebenheiten und Fakten zurückzuführen, wie z.B. unterschiedliche Lebensmittelstandards, Landwirtschaftsstrukturen oder unterschiedliche Steuer- und Abgabenniveaus.

Anbei findet sich eine zusammenfassende Übersicht beispielhafter österreichischer Faktoren, welche in ihrer Gesamtheit den Preis mancher Produkte gegenüber dem Ausland erhöhen:
•    Höhere Lohnnebenkosten
•    Höhere Steuern
•    Teurere Verkehrswege (andere Topografie)
•    Höhere Filialdichte
•    Effizienterer Vollzug von Gesetzen
•    Kleinerer Markt
•    Höhere Stückkosten
•    Höherer Bioanteil
•    Mehr Rabatt-Aktionen

Die höheren Preise haben strukturelle Ursachen - dies belegt auch die Tatsache, dass die Gewinne der Händler in Deutschland und Österreich praktisch ident sind.  Diese Unterschiede werden am Beispiel eines Vergleiches zwischen Deutschland und Österreich zusammenfassend dargestellt:

Höhere Lohnkosten in Österreich und mehr Arbeitsplatzsicherheit
•    Im Vergleich zu Deutschland sind die Lohnnebenkosten in Österreich um rund 9%-Punkte höher.

Einkommen und Kaufkraft der Österreicher ist höher
•    Österreich hat zum Teil ein höheres Preisniveau als Deutschland. Bei einem solchen Vergleich ist zu berücksichtigen, dass ein unterschiedliches Einkommensniveau zwischen den beiden Ländern besteht..

•    Auch die jüngst publizierte RegioData Research Studie bestätigt, dass die Kaufkraft in Österreich höher ist als jene in Deutschland.

•    Ein Städtevergleich wie bspw. zwischen Wien und Berlin ist noch weniger zielführend, denn das Einkommensniveau in Berlin liegt sogar unterhalb des Deutschland-Durchschnitts, das Einkommensniveau in Wien liegt jedoch über dem Österreich Durchschnitt.

Höherer Steuern in Österreich steuern den Preis
•    Der Normalsteuersatz der Mehrwertsteuer in Österreich beträgt 20 Prozent. In Deutschland hingegen 19 Prozent. Der ermäßigte Steuersatz liegt in Österreich zwischen 10-13 Prozent, in Deutschland hingegen bei 7 Prozent.

•    Auch bei den Abgaben bestehen Diskrepanzen, die teilweise einzupreisen sind. Ein Beispiel ist die Urheberrechtsabgabe, die europaweit in Österreich am höchsten ausfällt.

Faktor 10: Mehr Produktion und höhere Abnahmen bedingen günstigere Preise in Deutschland
•    Die Produktion ist in vielen handelsrelevanten Branchen kleiner als in Deutschland, wodurch Kostenvorteile durch höhere Mengengerüste dem Ausland vorbehalten sind. Eine größere Produktion schlägt sich auch in den Verpackungs-, Logistik- und Vertriebskosten massiv nieder.

•    Die tatsächliche Abnahmemenge eines Händlers in Deutschland ist alleine aufgrund der höheren Bevölkerungszahl (der bekannte 10er Faktor) größer als jene eines österreichischen Händlers. Höhere Abnahmemengen bedeuten in der Regel günstigere Preise bzw. eine bessere Verhandlungsposition für den Händler. Dieser Vorteil kann dann natürlich auch an den Konsumenten weitergegeben werden.

•    Bei der Betrachtung der Preise ist ebenfalls die Tatsache zu berücksichtigen, dass die weiterverarbeitende Industrie in Österreich kleiner strukturiert ist.

•    Der Anteil an Preispromotions (Rabattaktionen) über ein Kundenkartensystem ist im österreichischen Lebensmittelhandel mit 32 % höher als in Deutschland, wo sich der Anteil auf 19,3 % beläuft. In Österreich steigt dieser Anteil an, während Deutschland seit 2011 bei rund 19 % stagniert. Da derartige Kundenkartensysteme zwangsläufig nur für bestimmte Kundengruppen relevant sind, werden sie in Studien zu Preisvergleichen nicht berücksichtigt.

Österreichische Qualität hat ihren Preis
•    In Österreich herrschen striktere Lebensmittelstandards als in Deutschland. Jeder Lebensmittelhändler unterliegt dem österreichischen Lebensmittelcodex, der oftmals strenger ist als die EU Standards.

•    Bei den Tierschutzvorgaben ist Österreich im EU-Vergleich ein Vorreiter. Bspw. führte Österreich EU-weit als erstes Land ein Verbot für Käfighaltung von Hühnern ein).  

•    In Österreich zeigt sich eine klare Wertschätzung für Bio Lebensmittel und Lebensmittel aus heimischer Produktion bzw. Lebensmittel mit österreichischen Gütesiegeln (z.B. AMA). Im internationalen und EU-weiten Vergleich liegt Österreich sogar unter den Top 10 Märkten für Bioprodukte. Bio ist teurer als konventionelle Produkte. Rund 20 % der Agrarfläche wird in Österreich für biologischen Anbau genutzt, während dies in Deutschland nur 6 % sind.

•    Österreich ist EU-weiter Spitzenreiter auf diesem Gebiet des Recyclings. Recyclingfähige, nachhaltige Verpackungen kosten mehr als Standardverpackungen.  

Kleinräumige alpine Landwirtschaft vs. Großbauern, Monokulturen, Glashausanbau
•    Es gibt weniger Ballungszentren bzw. mehr Zersiedelung in Österreich. Eine stärkere Zersiedelung bedeutet viele kleine Verkaufseinheiten. Dies wiederum resultiert u.a. in höheren Logistikkosten und höheren Fixkosten (Ausstattung, Betriebskosten usw.)

•    Die Landwirtschaftsstruktur in Österreich ist eine kleinräumige alpine Landwirtschaft, im Gegensatz zu Deutschland (Stichwort: Großbauern, Monokulturen, Glashausanbau). Die österreichischen Bauern haben sich zunehmend auf ökologische Landwirtschaft spezialisiert und versuchen, sich gerade durch hochqualitative landwirtschaftliche Produkte gegenüber der europäischen Konkurrenz durchzusetzen. Qualität hat ihren Preis.

•    Die Logistik ist in Österreich eine größere Herausforderung, z.B. bei Lieferungen in die Alpenregionen.

 

Rückfragehinweis

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