EU-Lieferkettengesetz: Handelsverband begrüßt Ausnahmereglung für KMU-Betriebe, pocht aber auf deutsche Regelung bei Haftungsfrage.
13.000 europäische Firmen betroffen. Kontroll- und Bürokratieaufwand muss sich in Grenzen halten.
Wien, 25.02.2022 - Der österreichische Handel nimmt den lange erwarteten und heute von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlag zum Lieferkettengesetz zur Kenntnis. In Europa tätige Großunternehmen werden künftig stärker für die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards bei ihren Zulieferern in die Pflicht genommen. Damit sollen Kinder- und Sklavenarbeit unterbunden sowie Umweltvorgaben zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf max. 1,5 Grad eingehalten werden.
Rund 13.000 europäische Firmen sowie 4.000 Nicht-EU-Unternehmen sind von der Verpflichtung betroffen, ihre gesamte Lieferkette daraufhin zu kontrollieren. Die Betriebe sollen unter bestimmten Umständen auch für Verstöße der an ihrer Lieferkette beteiligten Zulieferer haften.
"Der Handelsverband unterstützt die grundsätzliche Intention des heute vorgeschlagenen EU-Lieferkettengesetzes zur Stärkung der Menschenrechte sowie zur Bekämpfung der globalen Erwärmung aus voller Überzeugung. Der europäischen Wirtschaft allein kann aber nicht die volle Verantwortung für die Durchsetzung der Menschenrechte oder ökologischer Mindeststandards in Drittstaaten übertragen werden. Es wäre entscheidend, dass die jeweiligen Produktionsländer vor Ort ihre Verantwortung auch wahrnehmen und die geltenden Standards sicherstellen", so Rainer Will in einer ersten Reaktion.
Ausnahme von KMU und Einbezug von Konzerne aus Drittstaaten, die in EU tätig sind
Ursprünglich wollte die EU-Kommission alle Unternehmen in der Union in das Lieferkettengesetz einbeziehen. Dies hätte eine massive Mehrbelastung für kleine und mittelständische Betriebe bedeutet, weshalb der Handelsverband gemeinsam mit zahlreichen anderen Interessenvertretungen auf europäischer Ebene vehement für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs eingetreten ist.
Mit Erfolg, denn nun wird das EU-Lieferkettengesetz nur für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro und mit über 500 Beschäftigten gelten. Firmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro und über 250 Beschäftigten fallen ebenfalls unter die Verordnung, sofern sie mehr als die Hälfte ihres Umsatzes in bestimmten Branchen erzielen. Zu diesen "problematischen" Branchen zählt die Kommission Textilien, Leder, Schuhe, Landwirtschaft, Rohmaterialhandel, Lebensmittel, Mineralien (einschließlich Öl und Gas) sowie Metalle und Chemikalien. Die Finanzbranche ist ebenfalls explizit einbezogen. Ebenso erfreulich ist, dass wiederum Unternehmen aus Drittstaaten, die in der Union tätig sind, vom Gesetz aber erfasst werden.
Deutsches Lieferkettengesetz als Vorbild
Die Umsetzung für die vom Lieferkettengesetz erfassten Unternehmen darf jedenfalls nicht zum Bürokratiemonster werden und muss praktikabel sein. Im Vergleich zum EU-Vorschlag greift etwa das deutsche Lieferkettengesetz erst bei Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten (ab dem Jahr 2023) bzw. ab 1.000 Beschäftigten (nach dem Jahr 2024). Betroffen sind in Deutschland überdies nur direkte Lieferanten. Eine zivilrechtliche Haftung für Verstöße der Zulieferer ist ebenso nicht vorgesehen. Der Handelsverband setzt sich daher auch weiterhin für ein europäisches Lieferkettengesetz nach deutschem Vorbild ein.
Handelsverband & CRIF helfen heimischen Unternehmen mit neuer ESG-Plattform
Der Technologieanbieter CRIF hat im November 2021 eine weltweite Plattform gestartet, die es erstmals ermöglicht, Unternehmen nach ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) zu erfassen, zu zertifizieren und diese Information auch für Dritte zugänglich zu machen. Die vom Handelsverband unterstützte ESG Transparency Plattform bietet allen Betrieben eine einfache Möglichkeit, Transparenz in der eigenen Lieferkette sicherzustellen und damit die künftigen Vorgaben der EU zu erfüllen.