Explodierende Energiekosten belasten heimische Händler. Lieferengpässe befürchtet. Energiepreisbremse entscheidend.

HV-Forderung umgesetzt: Ukrainische Flüchtende dürfen temporär in Österreich bleiben & arbeiten. Nächster Schritt: Handel & Produktion gleichermaßen entlasten!

Die vom Handelsverband und vielen weiteren Interessenvertretungen initiierte Verordnung, die einen temporären Schutz von geflüchteten Menschen aus der Ukraine regelt, wird heute im Parlament verabschiedet. Damit erhalten ukrainische Flüchtende zumindest ein Jahr Schutz in Österreich und auch Zugang zum Arbeitsmarkt. 83% der heimischen Handelsbetriebe hatten den HV-Vorschlag im Vorfeld aktiv unterstützt.

"Die Menschen in der Ukraine brauchen jetzt unsere Unterstützung. Für die gesamte Handelsbranche ist es selbstverständlich, in dieser humanitären Katastrophe zu helfen - mit Hilfslieferungen an die Grenzregionen, mit finanziellen Spenden und mittelfristig auch mit Arbeitsplätzen für Flüchtende hier in Österreich. Wir freuen uns, dass durch die heutige Verordnung Kriegsflüchtende einen vorläufigen Aufenthaltstitel erhalten, damit sie auch unbürokratisch in unserem Land arbeiten und sich in einem sicheren Umfeld ihren Lebensunterhalt verdienen dürfen", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Ukraine-Krise befeuert Inflation

Laut Wifo wirkt der Krieg - abseits der menschlichen Tragödien - auch massiv inflationstreibend und wachstumsabschwächend, wir bewegen uns Richtung "Stagflation". Hinzu kommen etwa im Handel erste Lieferengpässe bei Produktgruppen wie Speiseöl, Reis, Konserven und Mehl - immerhin zählen sowohl die Ukraine als auch Russland zu den weltgrößten Getreideproduzenten.

Auch die Liste der Sekundärfolgen des Konflikts ist besorgniserregend. Schon die Pandemie hat gezeigt, wie fragil die globalen Lieferketten sind. Steigende Energiepreise und fehlendes Logistikpersonal verstärken diese Effekte und können weitere Kettenreaktionen auslösen. Jeder Strompreisanstieg und jede Treibstoffkostensteigerung führt unweigerlich zu einer Erhöhung der Betriebskosten. Das betrifft alle Wirtschaftsbereiche, von der Industrie über die Landwirtschaft und den Handel bis zum Tourismus.

50% der Handelsbetriebe erwarten heftige Kostensteigerungen, nur 1/3 ist gerüstet

Eine aktuelle Studie des Handelsverbandes hat ergeben, dass bereits 13% aller Händler kriegsbedingte Lieferverzögerungen verzeichnen, die Hälfe der Betriebe erwartet in den kommenden Wochen teils dramatische Kostensteigerungen. Laut einer Blitzumfrage der österreichischen Mittelstandsinitiative haben die heimischen KMU bereits im vierten Quartal 2021 eine Steigerung der Energiepreise um 66% verzeichnet. Für das zweite Halbjahr 2022 erwarten die Firmen einen weiteren Anstieg um durchschnittlich 59% allein durch die ökosoziale Steuerreform. Die Auswirkungen der Ukraine-Krise sind da noch gar nicht eingepreist, weil sie noch nicht im vollen Umfang absehbar sind.

"Viele Branchen wie die Gastronomie, die Hotellerie oder der stationäre Handel haben Corona noch lange nicht überwunden, jetzt kommt der nächste Schlag. Nur ein Drittel der heimischen Unternehmen sieht sich gegen die steigenden Kosten gerüstet, bei zu vielen geht der Kostenanstieg an die Substanz. Eines ist klar: Ohne Preiserhöhungen werden die meisten Handelsbetriebe 2022 nicht überstehen", ist Will überzeugt.

Handel ist energieintensiv und braucht Unterstützung

Es reicht nicht aus, ausschließlich die energieintensiven Produktionsbetriebe, deren Schwerpunkt in der Güterherstellung liegt, zu entlasten, indem ein Teil der bezahlten Energieabgaben vom Finanzamt zurückerstattet wird. Auch der Handel hat hohe Energiekosten und braucht Unterstützung. Von der Kühlung von Lebensmitteln bei der Filialanlieferung, Verwahrung und Auslieferung bis hin zur Klimatisierung von Geschäftslokalen sind hier zentrale Bereiche energieintensiv ausgestaltet. Gleichzeitig frisst die Teuerung im Bereich Strom, Gas und Treibstoffe die Kaufkraft der Konsument:innen weg, d.h. die gesamte Branche wird doppelt getroffen.

Energiepreisbremse für den Handel & bundesweites Energiemonitoring - Jetzt!

Vor diesem Hintergrund gewinnt Krisenresilienz eine völlig neue Bedeutung. Österreich muss seine Abhängigkeit von Öl und Gas reduzieren, den Selbstversorgungsgrad etwa bei Lebensmitteln weiter steigern und Produktionskapazitäten zurück ins Land holen.

"Auch die Bundesregierung ist jetzt gefordert. Wir brauchen ein transparentes, bundesweites Energiemonitoring, um drohenden Engpässen etwa bei LKW-Diesel besser vorbeugen zu können. Es reicht nicht, nur die energieintensiven Industriebetriebe zu entlasten. Der Handel hat ebenfalls hohe Energiekosten und muss daher analog zu den Produktionsbetrieben zumindest einen Teil der bezahlten Energieabgaben vom Finanzamt zurückbekommen", appelliert Rainer Will an die Politik.

"Handel und Gastronomie gehören zusammen. Beide leiden stark unter den Corona-Auswirkungen, daher nimmt auch der Leerstand in den wichtigsten Einkaufsstraßen des Landes deutlich zu. Die Leerstandsquote in den österreichischen Innenstädten liegt aktuell bei 7,4%. Insgesamt musste der heimische City Retail 2021 einen Verkaufsflächenverlust von mehr als 54.000 Quadratmetern verkraften. 90% der Ortskerne und Peripherien in den ländlichen Regionen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Hochgerechnet ergibt das einen Verkaufsflächenverlust von 500.000 Quadratmetern oder 80 Fußballfeldern", so Will.

Dornbirn, Linz und Amstetten legen zu, Steyr und Wiener Neustadt bleiben "Sorgenkinder"

"Angesichts der Veränderung des Branchenmix in den heimischen Primär- und Sekundärstädten wird auch deutlich, dass das Kurzfristbedarfsangebot - sprich der Lebensmittelhandel - laufend zunimmt. Die Bekleidungsbranche kämpft hingegen mit deutlichen Verlusten, seit 2014 ist deren Anteil von 33% auf 29% gefallen. Diese Veränderung fiel signifikanter aus als in jeder anderen Branche. Allein der Modehandel hat in den letzten acht Jahren rund 82.500m² Verkaufsfläche verloren", sagt Standort + Markt Geschäftsführer Hannes Lindner.

Mittlerweile finden sich nur mehr 10 Geschäftsbereiche, die eine positive Shopflächenentwicklung aufweisen. Der Flächenverlust war ab 2020 deutlich spürbarer als in den Jahren zuvor. Die größten Flächenzugewinne sind in Dornbirn, der Wiener Landstraßer Hauptstraße, in Amstetten und in Linz zu verzeichnen. Krisengeschüttelte Innenstädte der letzten Jahre mit hohen Leerstands- und Fluktuationsraten wie Steyr und Wiener Neustadt blieben auch 2021 nicht von einer Gesamtverkaufsflächenreduktion verschont.

Top 5: Gesamtverkaufsfläche

  • Wien, Mariahilfer Straße (215.000m2)
  • Wien, City (205.400m2)
  • Graz (167.600m2)
  • Linz (145.400m2)
  • Innsbruck (115.500m2)

7,4%: Leerstandsquote bleibt (zu) hoch

Die Leerstandsrate der Innenstadtbereiche liegt mit 6,1% (2020: 5,9%) etwas höher als in Österreichs Shoppingcentern mit 4,4% (2020: 4,5%). "Die durchschnittliche Leerstandsquote in den heimischen Groß- und Kleinstädten erhöht sich damit auf 7,5%, da Kleinstädte im Schnitt einen deutlich höheren Leerstand aufweisen. Insgesamt hat sich die Leerstandsrate in den Primär- und Sekundärstädten seit dem letzten Jahr zwar nur moderat um 0,2 Prozentpunkte erhöht, es bleibt allerdings abzuwarten, welche Auswirkungen die Pandemie und aktuell die hohe Inflation auf das Shopflächengerüst der Cities haben werden", erklärt Standort + Markt Gesellschafter Roman Schwarzenecker.

Top 5: Niedrigste Leerstandsrate

  • Mödling (1,9%)
  • Wien, Meidlinger Hauptstraße (1,9%)
  • Innsbruck (2,4%)
  • Wels (2,5%)#
  • St. Pölten (2,9%)

Pandemiebedingter Rückgang des Tourismus befeuert Leerstand

Traditionell liegen Salzburg, Innsbruck und die Wiener City - allesamt Tourismus-Hochburgen mit entsprechend hoher Passantenfrequenz - auf den vorderen Plätzen des Städtevergleiches. Aufgrund der Ereignisse der Covid19-Pandemie hat sich dieses Blatt zuungunsten einiger städtischer Geschäftsbereiche gewendet. Seit 2020 sanken die Übernachtungszahlen im Städtetourismus spürbar, was sich gravierend auf den innerstädtischen Handel niederschlug. Während der Anstieg der Leerstandsrate in der Wiener City moderat vonstattenging (von 3,4% auf 4,5%), fiel der Zugewinn in Salzburg um fünf Prozentpunkte deutlich massiver aus (von 1,6% auf 6,6%). Zumindest Innsbruck dürfte es im Jahr 2021 gelungen sein, den Abschwung abzufedern, die Leerstandsrate beträgt - nach einem merkbaren Anstieg 2020 - wieder gute 2,4%.

Die Wiener Neustädter Innenstadt bleibt die größte Herausforderung hinsichtlich innerstädtischer Leerstandsflächen: Mit 29,5% Leerstand belegt sie den letzten Platz im aktuellen Ranking. "Eine Leerstandsrate von über 20% weisen zudem Bruck an der Leitha, Knittelfeld, Liezen und St. Veit an der Glan auf. Zu den größeren Städten mit deutlich erhöhten Werten zählen 2021 neben der Salzburger Innenstadt auch die Wiener Landstraßer Hauptstraße und Bregenz", sagt Schwarzenecker.

"Auch wenn das ganz große Geschäftssterben bis dato ausgeblieben ist - der österreichische Handel hat allein 2022 weit über 50.000m2 an Verkaufsflächen eingebüßt. Lag der Anteil der Retail-Shopflächen an den Gesamtflächen 2014 noch bei 73,5%, so dümpelt er heute bei 67,5%. Klar ist aber auch, dass diese Strukturveränderung ohne staatliche Covid-Unterstützungsmaßnahmen noch deutlich heftiger ausgefallen wäre", so das Fazit von Hannes Lindner.

Konsumentenbefragung: Steigende Inflation hemmt Konsumausgaben

Sorgen bereiten dem heimischen Handel nicht nur die Pandemie und der Strukturwandel, sondern aktuell auch die Ukraine-Krise sowie die stark steigende Inflation. Laut einer Erhebung von Mindtake Research im Auftrag des Handelsverbandes haben bereits 79% aller Konsument:innen das Gefühl, die Preise für Strom, Treibstoff, Wohnen und Produkte des täglichen Bedarfs seien in den letzten Monaten stark angestiegen.

Die Auswirkungen der Inflation auf die Konsumausgaben sind gravierend:

  • 53% der Österreicher:innen haben ihre Ausgaben in den letzten Wochen eingeschränkt
  • 14% beschränken sich zurzeit auf den Kauf lebensnotwendiger Güter

Was erwartet der Handel von den Regulatoren?

"Die Corona-Krise und der Ukraine-Krieg befeuern die Inflation, deren Treiber die Rohöl- und Gaspreise sind. Heizen und Tanken ist in Europa so teuer wie nie zuvor, dadurch schmilzt die Kaufkraft der Bevölkerung bei den Konsumgütern. 14% der Österreicherinnen und Österreicher müssen sich bereits auf den Kauf lebensnotwendiger Güter beschränken", fasst Rainer Will zusammen."Daher ist klar, dass viele Geschäfte des nicht-lebensnotwendigen Handels auch im Sommer 2022 einen Überlebenskampf führen werden, selbst wenn sich die Corona-Fallzahlen deutlich reduzieren. Der Flächenschwund im Non-Food-Handel wird sich inflationsbedingt fortsetzen."

Jetzt ist die Bundesregierung gefordert, entsprechend gegenzusteuern. Folgende Empfehlungen sollten am besten sofort umgesetzt werden:

  • Verhinderung von Mietrückforderungen durch die COFAG
  • Abschaffung der Mietvertragsgebühr
  • Aktive Inflationsbekämpfung & Energiekostenbremse für den Handel

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