Handelsverband gewinnt gegen Amazon und stellt Fair Play her. Größter Konzern der Welt lenkt außergerichtlich ein und ändert AGBs.

Hauptbeschwerdeführer Handelsverband setzt sich mit Beschwerde gegen Amazon durch. Amazon ändert 8 Geschäftsbedingungen zu Gunsten aller Händler am Marktplatz.

Wien, 17.07.2019 - Großer Tag für die Fairness im österreichischen Handel. Der Handelsverband hat sich gegen Amazon durchgesetzt. Der größte Konzern der Welt hat nach der Beschwerde des Handelsverbandes bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und einem mehrmonatigen Verfahren nun eingelenkt und ändert 8 wesentliche Geschäftsbedingungen des Amazon Marktplatzes zugunsten der (heimischen) Marktplatzhändler in den AGBs. Die Änderungen treten bereits mit 16.8.2019 nach Veröffentlichung in Kraft.

Ein entscheidender Schritt Richtung FairCommerce

Die Entscheidung ist ein wichtiger Fortschritt, der den Umgang mit den heimischen Händlern auf dem führenden Marktplatz verbessert. Amazon hat durch die freiwillige Änderung der Geschäftsbedingungen ein langwieriges Gerichtsverfahren vor dem Kartellgericht vermieden, da die vom Handelsverband vorgebrachte Beweislage erdrückend war.

"Heute ist ein guter Tag. Dieser Erfolg ist richtungsweisend. Er zeigt, dass der digitale Raum nicht rechtsfrei ist und sich auch digitale Giganten an die Gesetze halten müssen. Davon profitiert nicht nur der heimische Handel, sondern unsere gesamte Volkswirtschaft. Plötzliche oder unbegründete Kontosperren werden künftig nicht mehr möglich sein", sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes und Hauptbeschwerdeführer gegen Amazon.

"Damit sind wir unserem Ziel, einen fairen Marktplatz für alle Händler und Konsumenten sicherzustellen, einen entscheidenden Schritt näher gekommen", so Will.

Konkret hat die Beschwerde des Handelsverbandes zu folgenden 8 Anpassungen in den Amazon AGBs geführt:

1. Keine jederzeitige Kündigung oder Aussetzung des Vertrages mit sofortiger Wirkung, ohne Angabe von Gründen:

Eine ordentliche Kündigung erfolgt unter Einhaltung einer Frist von 30 Tagen.

Eine Kündigung bzw Aussetzung mit sofortiger Wirkung ist nur mehr unter folgenden Voraussetzungen möglich:

  • Der Marktplatzhändler hat einen wesentlichen Verstoß gegen die Vereinbarung begangen und diesen nicht innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach einer entsprechenden Mitteilung behoben;
  • das Konto des Händlers wurde für täuschende oder betrügerische oder unrechtmäßige Aktivitäten verwendet; oder
  • die Nutzung von Programmen hat andere Verkäufer, Kunden oder Amazons berechtigte Interessen geschädigt hat oder Überprüfungen zeigen auf, dass die Nutzung von Programmen zu einer solche Schädigung führen könnte.

2. Kein unentgeltliches, unwiderrufliches, unbefristetes, weltweites Nutzungsrecht durch Amazon an den von Sellern bereitgestellten Materialien sowie eine Lizenz zur Verwendung, Vervielfältigung, Vorführung usw:

Der Umfang der Lizenz, die Marktplatzhändler Amazon gewähren müssen wird reduziert. Das unentgeltliche, nicht ausschließliche, weltweite Nutzungsrecht bzw die Lizenz erfassen zukünftig nicht mehr jede kommerzielle und nichtkommerzielle Nutzung, sondern sind auf den Betrieb der Programme bzw andere Produkte oder Dienstleistungen von Amazon beschränkt. In zeitlicher Hinsicht sind Nutzungsrecht bzw Lizenz auf die Dauer der originären und abgeleiteten geistigen Eigentumsrechte der Händler beschränkt.

3. Freistellung/Entschädigung von Amazon durch Händler nur bei Gesetzesverletzungen:

Amazon wird die Verpflichtung der Marktplatzhändler, Amazon und dessen leitende Angestellte, Vorstandsmitglieder, Mitarbeiter und Vertreter von Ansprüchen Dritter freizustellen, die auf der nur behaupteten Verletzung der Pflichten aus dem BSA bzw der Zusicherungen der Dritthändler beruhen, streichen. Die Verpflichtung der Händler zur Freistellung von Amazon wird sich in diesem Zusammenhang ua auf die Freistellung im Fall der Verletzung geltender Rechtsvorschriften und die tatsächliche oder aufgrund konkreter Anhaltspunkte behauptete Verletzung abgegebener Zusicherungen richten.

4. Beschränkung des Haftungsausschlusses:

Die Klausel wird neu gefasst, womit beide Parteien auf Schadenersatz grundsätzlich nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haften. Eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ist für Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit und für vorhersehbare, typischerweise eintretende Schäden aus der Verletzung wesentlicher Vertragspflichten vorgesehen.

5. Änderung der Bedingungen und Bestimmungen des BSA durch Amazon nach freiem Ermessen nur nach Ankündigung:

Die Neufassung der Bestimmung sieht vor, dass mindestens 15 Tage vor einer Änderung eine Ankündigung zu erfolgen hat.

6. Auch andere Gerichtsstände als Gerichtsstand Luxemburg Stadt möglich:

Die Neuregelung dieser Bestimmung sieht grundsätzlich Luxemburg Stadt als nicht ausschließlichen Gerichtsstand vor. Das bedeutet für Marktplatzhändler eine wesentliche Erleichterung bei der Rechtsverfolgung.

7. Streichung des weitgehenden Haftungsausschlusses bzw. der Haftungsfreistellung betreffend die Lagerhaltung im Programm "Versand durch Amazon":

Ein Haftungsausschluss betreffend das Programm "Versand durch Amazon", mit dem Amazon alle Pflichten eines Verwahrers oder Lagerhalters ausgeschlossen hatte und mit dem die Händler, die dieses Programm nutzen, auf alle Rechte eines Hinterlegers verzichteten, wurde - ebenso wie die Freistellungsverpflichtung iZm diesem Programm ersatzlos gestrichen.

8. Verlängerung der dreitägigen Widerspruchsfrist für Marktplatzhändler bei durch Amazon gewährten Erstattungen im Rahmen der A-bis-Z Garantie:

Die Neufassung der Bestimmung sieht eine Verlängerung der Widerspruchsfrist von 3 auf 30 Tagen vor.


Händlerbefragung der BWB bestätigt massive Abhängigkeit der Marktplatzhändler von Amazon

Die von der BWB durchgeführte Marktbefragung, bei der rund 400 der umsatzstärksten österreichischen Marktplatzhändler am Amazon.de Marktplatz befragt wurden, hat eines deutlich gezeigt: Die heimischen Marktplatzhändler sehen kaum relevante Alternativen zum Amazon Marketplace, um ihre Kunden Online zu erreichen. Ein großer Teil der befragten Marktplatzhändler verkauft fast ausschließlich auf Amazon. Jene Marktplatzhändler, die nach ihren Angaben über Alternativen verfügen, erwirtschaften den weitaus größten Teil ihres Umsatzes auf Amazon.de.

"Aktuell exportieren heimische KMU-Händler Produkte im Wert von rund 300 Millionen Euro über den Amazon Marktplatz. Wir sind überzeugt, dass die Exportumsätze durch die nun erwirkten faireren Rahmenbedingungen beträchtlich steigen werden", erklärt Rainer Will.

Der Handelsverband begrüßt auch die Empfehlung der BWB an Amazon, in seinen Geschäftsbedingungen zumindest einen Ansprechpartner zu benennen, an den sich die heimischen Händler unmittelbar wenden können.

EU-Wettbewerbskommissarin Vestager eröffnet förmliches Wettbewerbsverfahren gegen Amazon

Die EU-Kommission prüft bereits seit 2018, ob der Konzern Händler auf seiner Plattform benachteiligt. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat bereits bekannt gegeben, ein förmliches Wettbewerbsverfahren gegen Amazon zu eröffnen. Konkret geht es darum, ob Amazon sich einen Vorteil dadurch verschafft, dass der der Konzern als Plattform-Betreiber Händler-Daten auswertet, um aussichtsreiche Geschäftsbereiche zu erkennen und dort andere Anbieter zu unterbieten.

"Auch wir werden uns weiterhin mit aller Kraft für FairCommerce einsetzen, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Österreich zu sichern und damit die Chancen der Digitalisierung zu nutzen", so Rainer Will abschließend.

Den vollständigen Fallbericht der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) können Sie HIER downloaden.

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Mag. Gerald Kühberger, MA
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