PLAN H: Österreichischer Handel präsentiert vor Nationalratswahlen 50 Forderungen an die Politik zur Belebung des Wirtschaftsstandortes

92% der Händler beklagen gestiegene bürokratische Belastung in den letzten 5 Jahren. Österreich braucht in nächster Legislaturperiode positive Impulse und klare Reformagenda.

Wien, 20.09.2024 - Der Wirtschaftsstandort Österreich ist in den vergangenen zehn Jahren massiv unter Druck geraten. Das heimische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist sowohl im Vergleich mit den USA als auch mit der EU deutlich langsamer gewachsen. Seit 2019 ging das reale BIP pro Kopf hierzulande sogar um 1,7% zurück. Die Bevölkerungszahl ist zwar gestiegen, doch die Menschen im Land arbeiten im Schnitt immer weniger – weil es sich angesichts der hohen Steuerbelastung finanziell schlicht nicht auszahlt. Dazu kommt die Geringfügigkeitsfalle, die stundenweise Beschäftigung plus Arbeitslosengeld zu attraktiv macht. Das erschwert wiederum die Finanzierung unseres Sozialsystems. Deshalb haben die österreichischen Händler gemeinsam den PLAN H (H für Handel) erarbeitet.

Regulierungswut: EU verabschiedet 4x mehr Rechtsakte als USA

Der jüngste Bericht des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit der EU belegt, das v.a. die Überregulierung in Europa ein Bremsklotz für die Wirtschaft ist. In den letzten fünf Jahren hat Brüssel rund 4x mehr Rechtsakte verabschiedet als Washington – die US-Wirtschaft hat sich deutlich dynamischer entwickelt. Das schlägt sich auch im aktuellen IMD-Ranking nieder, wo sich der Standort Österreich erneut vom 24. auf den 26. Platz verschlechtert hat.

"Während in der EU von 2019 bis 2024 rund 13.000 Rechtsakte verabschiedet wurden, waren es in den USA im gleichen Zeitraum 3.500 Vorschriften. Diese Regulierungswut in Europa ist ein absoluter Produktivitätskiller und lähmt unsere Innovationskraft. Wir verlieren den Anschluss an die USA und China", bestätigt Rainer Will, Geschäftsführer des freien und überparteilichen Handelsverbands. "Erschwerend hinzu kommt noch der mangelhafte Vollzug dieser Regulierungen bei Wirtschaftsakteuren aus Drittstaaten. Diese werden dadurch bessergestellt als europäische Unternehmen."

HV-Händlerbefragung: 96% wollen "1-in-2-out-Regel"

Die jüngste HV-Händlerbefragung (n=170) bestätigt, dass die Herausforderungen der Zukunft nur gemeistert werden können, wenn es sowohl national als auch auf EU-Ebene einen substanziellen Abbau des Bürokratiedschungels gibt. Hier die zentralen Ergebnisse:

  • 91% der Handelsbetriebe empfinden die Bürokratie in Österreich als belastend;
  • 92% beklagen die zunehmende bürokratische Belastung in den letzten 5 Jahren;
  • 96% unterstützen die HV-Forderung nach einem Abbau regulatorischer Hürden durch eine konsequente Anwendung der "1-in-2-out-Regel" (d.h. für jede neue regulative Belastung müssen zwei bestehende Belastungen abgebaut werden);

"Der heimische Handel besteht auf die von der EU-Kommission versprochene Verringerung der Berichtspflichten um ein Viertel. Daher müssen wir den Bürokratiedschungel europaweit aber auch in Österreich durchforsten und lichten. Wir fordern ein Ende des Gold Platings bei der nationalen Ausgestaltung von EU-Richtlinien", sagt Rainer Will im Namen der österreichischen Händler.

In welchen Unternehmensbereichen ist die Bürokratiebelastung am stärksten?

  • Steuern & Abgaben
  • Buchhaltung & Jahresabschluss
  • Lohnverrechnung & Sozialversicherung
  • Arbeitnehmerschutz
  • Sicherheitsvorschriften & Genehmigung von Produkten
  • Verbraucherschutz
  • Umweltbestimmungen & ESG-Berichtspflichten
  • Datenschutz & IT-Sicherheit
  • Unternehmensgründungen
  • Öffentliche Förderungen

PLAN H: Das Zukunftsprogramm des österreichischen Handels

Mit mehr als 700.000 Beschäftigten ist der Handel größter Arbeitgeber in Österreich und wichtige Säule der Volkswirtschaft. Ungeachtet dieser Bedeutung und seiner Versorgungsfunktion treten wir bei den Rahmenbedingungen seit Jahren auf der Stelle. Österreich ist nach wie vor ein Land der hohen Steuern und Lohnnebenkosten, ein Land mit extremer Regulierungsdichte und zu viel Föderalismus.

Die Handelsbranche, die in Zeiten des digitalen Wandels in einem beinharten globalen Wettbewerb steht und seit 2020 von multiplen Krisen (Pandemie, Ukraine-Krieg, Personalmangel, Energiekrise, Teuerung) betroffen war, sieht sich mit immer neuen Auflagen und Gesetzen konfrontiert, die ihre Entwicklung behindern. Gleichzeitig können dubiose Plattformen aus Fernost wie Temu hierzulande frei wie Vögel agieren. Keine Spur von einem level playing field, dabei sollte die EU eigentlich europäische Händler vor unfairen Praktiken schützen, nicht umgekehrt.

"2025 entscheidet sich, ob und wie unser Land aus dem permanenten Krisenmodus herausgeführt wird. Die Nationalratswahl im Herbst 2024 ermöglicht es, neue Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu finden. Wir appellieren mit unserem PLAN H an die Politik, die Wettbewerbsfähigkeit wiederzubeleben und den Wirtschaftsstandort Österreich zu retten. Gehen wir es an!", so Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch.

PLAN H: 8 Reformbereiche für ein Halleluja

1. Entbürokratisierung & Deregulierung
Gemessen am BIP gehen bei uns 12% der Wertschöpfung jährlich wegen Bürokratie verloren. Die heimische Wirtschaft muss sich aber in einem globalen Wettbewerb behaupten, daher braucht es eine zukunftsorientierte, praxisnahe Gesetzgebung. "Weniger ist mehr. Wir fordern u.a. eine Reform der Gewerbebehörden, die Abschaffung der Mietvertragsgebühr sowie eine zentralisierte Raumordnung", erklärt Stephan Mayer-Heinisch.

2. Unternehmerische Freiheit & Liberalisierung
"Jenen, die den Mut zum Gestalten aufbringen, die zeitgemäß und kundenorientiert denken, unternehmerisch handeln und damit die Systeme des österreichischen Sozialstaats finanzieren, soll auch etwas in der Tasche bleiben", sagt Ina Bauer, Geschäftsführerin von Mediashop. Daher braucht es u.a. eine Attraktivierung der Selbstständigkeit etwa im Direktvertrieb, eine Entrümpelung der komplizierten Zuschlagsregeln im Handel und die Abschaffung von Andienungspflichten, welche die Entsorgung verteuern.

3. Klimaschutz
Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Jene, die Umweltschäden verursachen, sollen auch dafür zahlen. "Österreich ist ein Vorzeigeland im Umweltschutz und Bio-Weltmeister. Mit vielen freiwilligen Vereinbarungen und Initiativen beweist der Handel, dass es nicht für jede wirksame Umweltschutz-Maßnahme ein eigenes Gesetz braucht, sondern die richtigen Anreize", bestätigt Karin Saey, Head of Retail im Dorotheum. Wir fordern eine praxis- und unternehmensnahe nationale Umsetzung der EU-Green-Deal Regulatorik (u.a. EU-Lieferkettengesetz, EU-Entwaldungsverordnung, EU-Verpackungsverordnung, EU-Gebäuderichtlinie) und eine enge Stakeholdereinbindung im Gesetzgebungsprozess.

4. Fairness
"Wir wollen einen fairen Welthandel, in dem sich Österreich als offene Volkswirtschaft positionieren kann, um gemeinsam Wohlstand zu schaffen. Dafür braucht es aber eine faire Besteuerung aller Marktteilnehmer und einen effektiven Vollzug", ist OTTO Austria Geschäftsführer Harald Gutschi überzeugt. Spielregeln müssen für alle gelten, egal ob groß oder klein. Daher fordern wir einen europäischen eCommerce-Aktionsplan, die Verhinderung von Zollumgehungen, eine sofortige Abschaffung der 150 Euro-Zollfreigrenze sowie transparente Prozesse und ein Fairness-Gebot bei Freihandelsabkommen wie Mercosur.

5. Arbeitsmarktreform
"Österreich beherbergt in Relation zur Bevölkerung überproportional viele Weltmarktführer und innovative Händler. Damit das so bleibt, brauchen wir eine substanzielle Arbeitsmarktreform. Jene, die ihre Arbeitsstunden erhöhen, sollten dafür belohnt und nicht bestraft werden. Leistung muss sich lohnen", so Rainer Will. Die Abgaben auf Arbeit müssen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer deutlich reduziert werden. Es braucht flächendeckende und leistbare Kinderbetreuungsplätze in ganz Österreich, eine Attraktivierung des Zuverdienstes von Pensionisten, eine Reform des Arbeitslosengeldes, die Absenkung des Lohnsteuer-Eingangssteuersatzes auf 15% und eine Senkung der Lohnnebenkosten von mindestens 0,5 Prozentpunkten pro Jahr bis 2030.

6. Innovation
"In einer hochtechnologisierten, digitalisierten Welt sind schlaue Köpfe und geniale Ideen die wichtigste Währung. Wir brauchen mehr Exzellenz und ein durchlässiges Schulsystem, um mutige, neugierige, kreative junge Menschen hervorzubringen – unabhängig von deren Herkunft und sozialem Status", sagt Andrea Heumann, Geschäftsführerin von Thalia Österreich. Wir fordern u.a. die gezielte Förderung von innovativen Leuchtturmprojekten in disruptiven Technologien, eine regionale Nahversorgungsoffensive, um Ortskerne wiederzubeleben, einen erleichterten Zugang zu Beteiligungs- und Risikokapital und einen Beteiligungsfreibetrag für Investoren.

7. Sicherheit
"Einzelne Händler sind oft die unbeteiligten Leidtragenden bei Demonstrationen. Daher ist der Schutz wichtiger Einkaufsstraßen sowie eine verbesserte Planbarkeit bei Demos ein fundamentaler Standortfaktor, ebenso wichtig wie die Bekämpfung von Onlinebetrug und Cybercrime", so Handelsverband-Vizepräsident Norbert W. Scheele. Wir unterstützen auch den geplanten Ausbau des Bereichs Cyber Security in der österreichischen Polizei und die damit verbundene, deutliche personelle Aufstockung.

8. Europa
"Österreich liegt im Zentrum des größten Binnenmarktes der Welt und hat beste Voraussetzungen, in jeder Hinsicht Weltspitze zu sein. Nur durch mehr Mut, über den eigenen Tellerrand zu blicken, können wir dieses Potenzial heben", erklärt Hofer-Generaldirektor Horst Leitner. Wir fordern die Einführung der "1-in-2-out-Regel" auf europäischer Ebene, damit neue Belastungen nur dann eingeführt werden können, wenn eine Kompensation durch den Abbau bereits bestehender Belastungen erfolgt. Darüber hinaus braucht es ein gesetzliches Verbot territorialer Lieferbeschränkungen in der EU, damit Händler in kleineren Ländern wie Österreich Waren nicht mehr zu weit überhöhten Kosten beschaffen müssen. Dieses Verbot würde die Endkonsument:innen europaweit um 14 Milliarden Euro pro Jahr entlasten.

Den vollständigen PLAN H mit 50 konkreten Forderungen an die Politik finden Sie HIER.

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