Stellungnahme des Handelsverbandes zum Begutachtungsentwurf des BKA/BMJ für eine Novelle des Urheberrechtsgesetzes und des Verwertungsgesellschaftengesetzes 2006 (Urheberrechts-Novelle 2015 – Urh-Nov 2015)

Wien, 8.6.2015 - Der Handelsverband äußert Bedenken zur Urheberrechts-Novelle und hat sich bis zuletzt dafür eingesetzt eine derartig nationale Regelung abzuwenden, da negative Standorteffekte und starke Benachteiligungen für heimische Händler entstehen. Nun geht es darum eine möglichst schonende Form der Umsetzung im Sinne der Betroffenen sicherzustellen. 

In der Novelle finden sich auf den ersten Blick auch einige positive Aspekte, die wir begrüßen, gleichzeitig bleiben jedoch weiterhin die Bedenken zur Urheberrechtsabgabe bestehen und wurden durch die Novelle verschärft. Voranzustellen sei, dass bis dato keine genaue Regelung zu den Begriffen "gerechter Ausgleich" für den "Schaden", der dem Werkschöpfer durch die (private) Vervielfältigung entsteht, getroffen wurde und daher mit dieser Novelle viele Fragen offen bleiben.

  • Abseits des buchhalterischen Mehraufwands für Unternehmen, begrüßen wir zwar aus Konsumentensicht die Neuerung, dass die Urheberrechtsabgabe transparent am Kassabon ausgewiesen werden soll, damit klar ersichtlich ist, wofür ein Aufpreis in Österreich zu zahlen ist. Allerdings ergibt sich aus Sicht der Unternehmer dadurch ein enormer Mehraufwand: Einerseits durch die buchhalterische Erfassung und anderseits durch die Integration in Bezahl- bzw. Kassensysteme. Damit verschärft sich auch die Bürokratieproblematik der Urheberrechtsabgabe für Unternehmer, denn die Novelle liefert keine Erleichterung hinsichtlich der komplexen Tarifsetzung, den quartalsweisen Anpassungen und dem häufigen Korrekturbedarf bei Rechnungen von den Verwertungsgesellschaften. Der Gesetzesentwurf lässt in diesem Zusammenhang offen, welche konkreten Maßnahmen der Unternehmer setzen kann und soll, um den Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten und trotzdem den neuen gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen. Derzeit stellt die Urheberrechtsabgabe einen Mehraufwand dar, der durch keine Erleichterungen in der Verwaltung ausbalanciert wird.

  • Erhöhte Transparenz bei den Verwertungsgesellschaften: Erfreulich ist es, dass die Verwertungsgesellschaften künftig erhöhten Transparenzvorschriften unterliegen, damit ersichtlich wird, wohin und in welcher Höhe die Einnahmen aus der Urheberrechtsabgabe fließen. Zusätzlich ist zu begrüßen, dass den Verwertungsgesellschaften gem. § 18a und 18b VerwGesG gewisse Verpflichtungen vor der Geltendmachung neuer Vergütungen für Geräte oder Speichermedien gem. § 42bUrhG auferlegt werden. Offen bleibt jedoch, was unter den "empirischen Untersuchungen" verstanden wird, mit Hilfe welcher die tatsächliche Nutzung der Geräte oder Speichermedien ermittelt und auf deren Grundlage die angemessene Vergütungshöhe verhandelt werden soll. Hier besteht Gefahr von Rechtsunsicherheit und Uneinheitlichkeit in den Untersuchungs-/ Berechnungsmethoden und folglich auch in deren Ergebnissen.

  • Positiv anzumerken ist auch die Refundierungsmöglichkeit für Konsumenten: Grundsätzlich begrüßen wir diese Maßnahme. Immerhin gibt es jetzt eine kleine Möglichkeit sich von dieser Abgabe zu befreien, wenn auch nur bei Speichermedien. Sehr fraglich ist jedoch, wie man beweisen soll, dass ein USB-Stick, SD-Karte usw. nicht für Kopien urheberrechtlich geschützter Werke verwendet wurde bzw. wird. Der Entwurf verabsäumt es klarzustellen, wie eine derartiges "Glaubhaftmachen" für ein Zurückfordern der auf dem Kassabon ausgewiesenen Abgabe dargelegt werden muss. Dh die Fragen, die sich hier stellen, sind: Wie kann zurückgefordert werden werden? Ist hierfür die Behauptung des Konsumenten ausreichend oder muss das Rückforderungsrecht bescheinigt werden und wie kann ein allfälliges Rückforderungsrecht überhaupt bewiesen werden? Ein USB-Stick könnte am „Prüfungstermin“ mit privaten Inhalten (z.B. eigenen Urlaubsfotos) gefüllt sein, theoretisch danach aber mit gänzlich anderen Inhalten befüllt werden. Höchstwahrscheinlich wird sich die Befreiungsquote in einem minimalen Rahmen bewegen. Eine Befreiung von der Reprographieabgabe, auch für Gewerbetreibende, bleibt wohl weiterhin ausgeschlossen.

  • Deckelung der Einnahmen: Grundsätzlich eine sinnvolle Entwicklung. Geht man jedoch einen Schritt weiter, in dem man das absehbare Szenario annimmt, dass zunehmend Daten im „Cloud-Bereich“ gespeichert werden, und sich somit der Verkauf von USB-Sticks, Festplatten etc. rückläufig gestaltet, würde dies auch zu weniger Einnahmen aus der Urheberrechtsabgabe auf die jeweiligen Produktgruppen führen und damit zu einem Anstieg der prozentuellen Belastung auf den Verkaufspreis, der vielfach existenzbedrohende Ausmaße annimmt. Die Auswirkungen einer solchen Entwicklung auf die Abgabenhöhe sind ungewiss.

    Zu klären ist ebenso der Modus, wie die Gelder refundiert werden, wenn die Abgabeneinnahmen die 29 Millionen Euro Grenze übersteigen. 

  • Deckelung der Abgabe als Prozentsatz des Warenwerts: An sich eine ebenso „am Reißbrett“ gut gemeinte Maßnahme. Die Deckelung der Abgabe für Speichermedien mit 6 % und mit 11 % für Geräte festzulegen, ist jedoch unverhältnismäßig hoch, da im IT-Handel z.B. Margen unter bzw. 1 % üblich sind. Zudem bietet die Novelle bedauerlicherweise eine „Hintertüre“ die es ermöglicht, auch die unverhältnismäßig hohen 6% bzw. 11 %-Grenzen – alleine durch Erbringung eines „empirischen Nachweises“ aufzuweichen (siehe §42 Abs 4 Pkt 8). Ein preisliches Mithalten mit unseren Nachbarländern wird weiter erschwert und laut einer kürzlich veröffentlichten Studie von Marketagent sind 70 % der befragten österreichischen Konsumenten nicht gewillt, den Aufpreis, der durch die Urheberrechtsabgabe verursacht wird, zu zahlen und würden ins Ausland bei ihren Einkäufen ausweichen. Die Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Marktes wird durch die Urheberrechtsabgabe belastet.

    Man spricht in der Novelle zwar von der Notwendigkeit bei der Bestimmung der Abgabenhöhe „auf die wirtschaftlichen Interessen der Hersteller, Händler und Importeure von Geräten und Speichermedien, die nicht unzumutbar beeinträchtigt werden dürfen“ Rücksicht zu nehmen, faktisch beeinträchtigt die Existenz dieser Abgabe bereits die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit mancher österreichischer Händler.

    Außerdem führt die neue Urheberrechtsabgabe zu einer Vervielfachung der finanziellen Belastung der österreichischen Konsumenten.

    Mehr als 50 % des Online Umsatzes in Österreich fließt bereits jetzt ins Ausland ab, die Novelle wird diese Entwicklung weiter in die Höhe treiben. Die aktuellsten Statistiken zur gestiegenen Arbeitslosigkeit und die schwächelnde Konjunktur sollten eigentlich einen Anreiz bilden, die heimische Wirtschaft zu stärken. Eine negative Auswirkung auf die Handelsumsätze und die Konjunkturlage im heimischen Handel ist wohl unvermeidbar. Sinkende Umsätze mit allen nachgelagerten Folgen bedeuten weitere Arbeitsplatzverluste. Somit erweisen sich die im Vorblatt zum Ministerialentwurf aufgestellten Behauptungen, dass die Novelle "keine wesentlichen finanziellen Auswirkungen auf Unternehmen" und auf Konsumenten hat, als unzutreffend.

  • Die Novelle verlangt auch „ein wirtschaftlich angemessenes Verhältnis der Vergütung zum typischen Preisniveau der Geräte oder der Speichermedien, …“. Dabei sind einige Punkte in Folge der vagen Formulierung kritisch zu hinterfragen. Die Novelle lässt offen, was als "wirtschaftlich angemessenes Verhältnis" angesehen wird, dh welcher Spielraum hat hier für eine Angemessenheitsgrenze zu gelten. Weiters ist unklar, ob als "typisches Preisniveau" das österreichische Preisniveau heranzuziehen ist. Dieses ist bereits durch diverse Abgaben belastet, woraufhin die weitere Frage aufgeworfen wird, ob diese Abgaben bei der Berechnung der Vergütung zu berücksichtigen wären. Andererseits könnte auch das EU-Durchschnittspreisniveau gemeint sein, mit welchem österreichische Händler zu konkurrieren haben. Diese Unsicherheit wird durch die Aufzählung in § 42 Abs 4 noch zusätzlich verschärft, obwohl hier offensichtlich eine Klarstellung vom Gesetzgeber intendiert war. Hierbei werden jedoch neun verschiedene Punkte aufgezählt, auf die bei der Bemessung der Speichermedienvergütung Bedacht zu nehmen ist. Diese neun verschiedenen Anknüpfungspunkte können einzeln betrachtet zu höchst unterschiedlichen Berechnungsergebnissen führen. So ist es beispielsweise fraglich wie Z1, wonach auf die bisher in Geltung gestandenen Vergütungssätze Bedacht zu nehmen ist, und Z2, wonach auf vergleichbare Vergütungssätze in anderen EU- und EWR-Staaten abzustellen ist, bei der Berechnung miteinander in Einklang gebracht werden können. Zusätzlich ist unklar, welcher der angeführten Bemessungskriterien stärker zu gewichten bzw bei einer Interessenskollision der Vorzug zu geben ist.

  • Die EU Kommission hat am 6. Mai 2015 ihre Pläne zur „Digital Single Market Strategy“ veröffentlicht, die u.a. explizit eine Vereinheitlichung des Urheberrechts vorsieht. Alle Maßnahmen dazu sollen innerhalb der laufenden Amtszeit der Kommission umgesetzt werden. Durch eine Vereinheitlichung, könnte die vorgesehene Urheberrechtsabgabe inklusive dem Urheberrechtsgesetz in der jetzigen Fassung in Österreich bald redundant werden. Manche EU-Länder wie Luxemburg, Irland und UK heben gar keine diesbezüglichen Abgaben ein. Rechtssicherheit wird durch die aktuelle Novelle in Aussicht gestellt, jedoch ist die Planungssicherheit nur zeitlich begrenzt gegeben. Die Vergütungspauschale wirkt sich auf die Endpreise der verkauften Geräte aus. Die derzeit vorliegenden erheblichen Unterschiede zwischen den Abgaben in den EU-Mitgliedsstaaten verzerren den Wettbewerb. Es ist daher zu erwarten, dass die Vereinheitlichung auf EU-Ebene in absehbarer Zeit vorgenommen wird um die Wettbewerbsverzerrungen hintanzuhalten.

  • Die Neuerung in §42 Abs. 5, welche die Rücksichtnahme auf „das Ausmaß in dem die Speichermedien und Geräte durchschnittlich für Vervielfältigungen zum eigenen oder privaten Gebrauch genutzt werden…“ in Aussicht stellt, scheint auf den ersten Blick zielführend, jedoch liegt zum jetzigen Zeitpunkt noch kein offizielles Gutachten vor, was eine durchschnittliche Nutzung der jeweiligen Speichermedien bzw. Geräte ausweist.

    In dieser Bestimmung neu hinzugekommen ist der Beisatz "…oder wenn hierfür eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird". Die Formulierung dieser Bestimmung schränkt den Begriff der Privatkopie erheblich ein. Diese Änderung bedeutet, dass zB der Download in Tauschbörsen in Zukunft illegal sein wird, weil der Sonderfall der Privatkopie hier nicht mehr anwendbar ist. Andererseits ist ein solcher Download aber nicht vom Strafrecht erfasst. Nur der Urheber selbst kann im Wege des Zivilrechts vorgehen. Die Effektivität der Änderung dieser Regelung sei in Frage gestellt, da man die Nutzer hinter den IP Adressen in Österreich nicht ausforschen darf. Es handelt sich daher bei dieser Beschränkung lediglich um einen theoretischen Begriff, dass eine Kopie nicht aus rechtswidrig hergestellten Vorlagen stammen dürfe, sondern dass die Vorlagen legal sein müssen.

  • Ein weiterer kritischer Punkt ist auch, anhand welcher Kapazität die Abgabe berechnet werden soll. Ein Smartphone wird zwar mit einer bestimmten Kapazität beworben, tatsächlich steht dem Konsument aber weniger Speicherplatz zur Verfügung, da neben dem  Betriebssystem auch vorinstallierte Apps einen Teil dieses Speicherplatzes bereits beanspruchen.

  • Die Händler sind nach wie vor dem Problem einer drohenden Rückwirkung der URA-Abgabe ausgesetzt, auch wenn offenbar eine Verkürzung der Rückwirkungsfrist angedacht wird. Auch aufgrund der bisher nicht gesicherten Rechtslage haben viele Händler die Abgaben nicht geleistet. Die überzogen hohen Abgabendeckelungen in der Höhe von 29 Millionen € auf das Gesamtvolumen pro Jahr, bzw. in der Höhe von 6 % und 11 % auf das Produkt werden als psychologische Ankerpunkte wohl auch einen negativen Effekt auf das Verhandlungsergebnis in diesem Kontext haben.

  • Der Großteil der Gelder wird trotz der Novelle weiterhin ins Ausland fließen und nicht an heimische Künstler. Schließlich erhielten heimische Künstler dem Vernehmen nach Beträge pro Jahr, die sich nur im niedrigen zweistelligen Bereich bewegten.

  • Konsumenten werden nach wie vor doppelt zur Kassa gebeten. Via „Itunes“ entrichtet ein Kunde ohnehin schon für die Lizenz ein Entgelt, sich die Musik oder den Film mehrfach zu kopieren. Der Entwurf vermisst daher eine konsumentenfreundliche Bestimmung, die eine bereits bezahlte Lizenzgebühr berücksichtigt. In der Entscheidung ACI Adam judizierte der EuGH, dass Privatkopien von einer illegalen Vorlage unzulässig sind. Daher könne auch keine den Schaden der legalen Privatkopie ausgleichende Urheberrechtsvergütung anfallen. Der EuGH beschäftigte sich weiter mit der Frage der Gebühr bei sowohl entgeltlich, als auch unentgeltlich lizenziertem Inhalt. Hierbei kommt man zum Ergebnis, dass zB für einen Film oder Musikstück, welches rechtmäßig über eine Plattform im Internet erworben wurde, nicht nochmals gezahlt werden muss. Damit wäre eine EU-konforme Anwendung der in der Novelle national geregelten Festplattenabgabe deutlich beschränkt.

  • Das Modell der Urheberrechtsabgabe ist daher in der Form weder nachhaltig noch treffsicher. Die Speicherfunktion von Festplatten verliert zunehmend an Bedeutung. Technische Neuerungen und verändertes Konsumverhalten (dh die Abkehr von klassischen Downloads und Kopien) werden in der Urheberrechtsnovelle nicht ausreichend beachtet. Der Besitz von Musik und Filmen ist ein Konzept, das wohl eher bald der Vergangenheit angehören wird. Die Gesellschaft bewegt sich nämlich in eine Richtung der Streaming Dienste wie „Spotify“ oder „Netflix“. Dazu kommt noch der Shift in Richtung „Cloud“, die durch das vorgesehene Abgabenmodell weiter vorangetrieben werden wird. Das Europäische Parlament hat diese Entwicklung in ihrer Entschließung zu Privatkopien bereits erkannt, indem sie sich auch um eine Vergütung von Vervielfältigungen über Cloud-Dienste Gedanken machte. Der Entwurf der Urheberrechtsnovelle hat es leider unterlassen, ein modernes Lizenzierungsmodell  zu entwickeln und damit die Anforderungen der Zukunft zu berücksichtigen.  

 

Handelsverband Stellungnahme


Rückfragehinweis: 
Rainer Will, Geschäftsführer, Handelsverband
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