Österreichs Handel in Zahlen. Jahresbilanz 2020 & Corona-Prognose 2021

Private Haushaltsausgaben im Vorjahr real um 8,2% auf 192,5 Mrd. Euro geschrumpft. Vorkrisenniveau wird erst 2024 wieder erreicht. eCommerce-Anteil steigt auf Rekordwert von 11,2%. Nur ein Drittel der Pakete wird im heimischen Onlinehandel bestellt.

Wien, 21. Mai 2021 - Der Handel ist in Österreich einer der größten Wirtschaftssektoren und mit 603.000 Beschäftigten zweitgrößter Arbeitgeber. Der Private Konsum liefert rund 50 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt. Welche Produktgruppen die Privatausgaben im stationären Einzelhandel sowie im Distanzhandel 2020 angetrieben haben und wie stark die Paketvolumina heimischer KEP-Dienstleister angesichts der Pandemie und des Online-Shopping-Booms gestiegen sind, untersucht die brandneue Jahresbilanz "Österreichs Handel in Zahlen" von Branchenradar.com Marktanalyse und Handelsverband. Darüber hinaus liefert die Studie die erste Corona-Jahresprognose für das Gesamtjahr 2021.

Einzelhandel muss reales Umsatzminus von 1,3% auf 67,6 Mrd. Euro verkraften

2020 sind die Ausgaben der privaten Haushalte in Österreich von 206,5 Milliarden Euro um -6,8 Prozent auf 192,5 Milliarden Euro gesunken. Inflationsbereinigt liegt das Corona-bedingte Minus sogar bei -8,2 Prozent. Der Rückgang der Ausgaben traf primär den Dienstleistungs- und Kfz-Sektor. Der Einzelhandel musste ein reales Umsatzminus von rund -1,3 Prozent auf 67,6 Milliarden Euro verkraften.

"Die Ausgaben der Österreicherinnen und Österreicher sind im Corona-Jahr 2020 um -8,2 Prozent eingebrochen. Für 2021 erwarten wir zwar eine leichte Erholung von real +0,5 Prozent, das Vorkrisenniveau werden wir aber vermutlich erst 2024 wieder erreichen. Insgesamt haben uns die Covid-Lockdowns Ausgabenausfälle von 39 Milliarden Euro gekostet", erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will die zentralen Ergebnisse der Studie.

"Die Einkäufe konzentrierten sich im Vorjahr ganz stark auf In-Home-Produkte. Das Podium der Top3-Wachstumssieger 2020 bilden Nahrungsmittel mit +8,6 Prozent, Videospiele mit +6,7 Prozent, Grünraumprodukte mit +5,4 Prozent. Alle Ausgaben in Zusammenhang mit sozialen Kontakten und Outdoor- bzw. Freizeitaktivitäten waren hingegen rückläufig", ergänzt Studienautor Andreas Kreutzer von der branchenradar.com Marktanalyse.

Schadensausmaß der Pandemie im stationären Handel enorm

Auf den ersten Blick scheint es so, als sei der heimische Einzelhandel bisher mit einem blauen Auge durch die Corona-Krise gekommen. Erst bei genauerer Betrachtung der Zahlen wird klar, wie enorm das Schadensausmaß der Pandemie tatsächlich ist. Allein die Umsatzverluste für die "Osterruhe" im Osten belaufen sich auf 1,95 Milliarden Euro. Der Onlinehandel konnte einen Teil dieser Verluste auffangen, allerdings haben davon insbesondere Webshops aus Drittstaaten wie Amazon profitiert.

Im Branchenvergleich hat es den stationären Modehandel mit einem Umsatzeinbruch von -24 Prozent am schlimmsten getroffen, aber auch die Wintersportgeräte-, Schmuck- und Schuhhändler mussten Verluste von weit über -15 Prozent im Vergleich zu 2019 hinnehmen. Besonders Händler in Tourismusregionen und Großhändler, die die Gastronomie beliefern, haben dramatische Umsatzausfälle bis hin zu Totalausfällen zu beklagen. Je kleiner der Betrieb, je weniger digital und je abhängiger vom Tourismus, desto geringer die Liquiditätsreserven und desto dicker das Minus. Aktuellen Studien zufolge müssen in den nächsten zwei Jahren 5.000 bis 10.000 Geschäfte schließen, dadurch sind zehntausende Jobs gefährdet.

"Die mittel- und langfristigen Schäden werden oft ausgeblendet oder nicht verstanden. Diese Effekte werden uns durch Betriebsschließungen, Insolvenzen, Arbeitslosigkeit und soziale und psychische Auswirkungen noch jahrelang begleiten. Daher haben wir immer das Motto 'Leben und Wirtschaften mit dem Virus' geprägt, dem sich die Politik leider nur zaghaft angeschlossen hat", bestätigt Will.

Onlinehandel entwickelt sich mit +17% dynamisch

Der Distanzhandel befindet sich in Österreich laut Studie weiterhin auf Wachstumskurs. "Der Onlinehandel hat im letzten Jahr erneut an Bedeutung gewonnen, die Wachstumsdynamik ist im Vergleich zu 2019 wie erwartet gestiegen. Der Vertriebskanal generierte während der Pandemie um satte +17 Prozent höhere Privatausgaben. Damit steigt der eCommerce-Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz auf den neuen Rekordwert von 11,2 Prozent", so Rainer Will.

Hinzu kommt: Neben den bislang im Onlinehandel dominierenden Warengruppen Bekleidung/Schuhe (31,2%), Elektrogeräte (26,3%) und Bücher (46,8%) wird der eCommerce für immer mehr Waren zu einem relevanten Vertriebskanal.

"So erhebt der aktuelle Branchenradar für 2020 substanzielle Zuwächse etwa bei Kunst-Antiquitäten (+75%), Grünraumprodukten (+45%), Drogeriewaren (+36%) und Einrichtungsgegenständen (+40%). Im Lebensmittelhandel ist Online-Shopping zwar trotz massiver Investitionen noch eine Nischenangelegenheit, die Wachstumsdynamik ist allerdings mit +46% ebenfalls beträchtlich", sagt Andreas Kreutzer.

Paketlawine wächst um 27%, allerdings wird nur 1/3 im heimischen Onlinehandel bestellt

Noch stärker als der Distanzhandel hat im letzten Jahr der sog. KEP Markt (Kurier-, Express- und Paketdienste) zugelegt. "2019 lag die Zahl der zugestellten Pakete im B2C Bereich bei 109 Millionen, 2020 ist das Paketvolumen um unfassbare 27 Prozent auf 139 Millionen Stück angewachsen. Hauptgründe für die Paketlawine sind neben dem generellen eCommerce-Boom vor allem überproportional steigende Teillieferungen und Retouren. Der durchschnittliche Paketwert ist hingegen um 8 Prozent gesunken", bestätigt Kreutzer.

"Der Anteil ausländischer Onlinehändler am Paketvolumen ist allerdings auf rund 64 Prozent angestiegen. Nur jedes dritte Paket, dass die Österreicherinnen und Österreicher im Onlinehandel bestellen, wird bei heimischen Webshops gekauft. Das größte Tortenstück geht an Amazon", betont Will.

Darüber hinaus wird Österreich nach wie vor mit China-Paketen geflutet, indem die bestehende 22-Euro-Freigrenze für Paketlieferungen aus Drittstaaten durch asiatische Online-Händler vorsätzlich ausgenutzt wird. "Das Aus für die 22-Euro-Freigrenze mit 1. Juli 2021 ist überfällig. Damit wird die Europäische Union ein 7 Milliarden Euro großes Steuerschlupfloch für asiatische Onlinehändler endlich schließen", freut sich Rainer Will.

Wie der wirtschaftliche Neustart gelingen wird? Handelsverband gibt 4 Empfehlungen.

Nach mehr als 6,5 Monaten "Lockdown light" sind diese Woche die Türen zu Gastronomie, Hotels, Sport-, Kunst- und Kultureinrichtungen wieder aufgegangen. Viele Konsumenten haben dem Schlechtwetter getrotzt und das Angebot gerne angenommen. Auch der österreichische Handel ist mit der Umsatzentwicklung seit dem Tag der Öffnung vieler eng verbundener Branchen am 19. Mai zufrieden.

Für die Händler bedeutet die Rückkehr zu den normalen Geschäftszeiten und die Öffnung von Gastronomie & Hotellerie einen weiteren Schritt Richtung Normalität und wirtschaftlichem Comeback. Je besser es den Hotels, Kaffeehäusern und Gastwirten geht, desto stärker profitieren auch die heimischen Geschäfte von steigenden Besucherzahlen und Impulskäufen. Im Mai erhofft sich der stationäre Handel dadurch pro Woche einen Mehrumsatz von 100 Millionen Euro im Vergleich zur bisherigen Umsatzentwicklung seit der Öffnung des Handels.

Wie nachhaltig der Aufschwung im stationären Handel tatsächlich ist, wird sich allerdings erst in den kommenden Wochen zeigen. Die gesamte Branche hofft jetzt auf ein nachhaltiges "Klima der Zuversicht", indem sich auch die Einkommenserwartung der Menschen stabilisiert.

Dringenden Handlungsbedarf für einen erfolgreichen wirtschaftlichen Neustart sieht der Handelsverband insbesondere in folgenden vier Bereichen:

  • Schaffung gleicher und fairer Wettbewerbsbedingungen in der EU (Fair Commerce)
    Jeder weiß, dass der größte Onlinehändler der Welt kaum Steuern zahlt. Allein in den letzten 10 Jahren hat Amazon außerhalb der USA Steuergutschriften in Höhe von 13,4 Milliarden Dollar geltend gemacht. Damit finanziert Europa mit Steuergeldern die globale Expansion von Amazon zulasten heimischer KMU-Händler. Österreichische Händler müssen unzählige Zwangsabgaben und hohe Lohnnebenkosten stemmen, während Amazon vogelfrei agieren kann. Es braucht eine faire Besteuerung der Marktteilnehmer.
  • Senkung der Lohnnebenkosten
    Nur in drei Ländern der EU erhalten Durchschnittsverdiener weniger Nettolohn von ihrer erwirtschafteten Leistung als in Österreich. Fast die Hälfte des Arbeitseinkommens landet hierzulande beim Staat. Daher braucht es dringend eine Entlastung des Faktors Arbeit und eine konsequente Senkung der Lohnnebenkosten.
  • Abschaffung der Mietvertragsgebühr
    Wenn man in Österreich ein Geschäft mieten will, bekommt man bereits Monate vor dem Umbau einen Bescheid: die Mietvertragsgebühr. Kleine Händler, die hierzulande eine Fläche anmieten, müssen Mietvertragsgebühren zahlen, bei denen das Finanzministerium oft für fünf Jahre im Voraus ein Prozent aller Mietkosten kassiert. Damit finanziert sich der Staat auf dem Rücken von Startups vor, obwohl nur die Hälfte aller Händler fünf Jahre nach der Gründung noch bestehen. Die Abschaffung dieser Papiersteuer aus Maria Theresias Zeiten ist überfällig.
  • Rückkehr von der 20m2 zur 10m2 pro Kunde-Regel im Handel
    Seit dem Ende des dritten harten Lockdowns müssen Geschäfte sicherstellen, dass sich pro 20m2 Geschäftsfläche max. ein Kunde aufhält. Diese Regelung sorgt vielerorts für künstliche Schlangenbildung vor den Shops, hat aber keinen nachweisbaren epidemiologischen Nutzen. Entscheidend ist vielmehr die Einhaltung des Mindestabstands in den Geschäften. Daher empfiehlt der Handelsverband die ehestmögliche Rückkehr zur 10m2-Regelung.

Über die Studie "Handel in Zahlen"

Branchenradar.com Marktanalyse und Handelsverband gehen mit der gemeinsamen Österreich-Studie "Handel in Zahlen" einen neuen Weg Richtung mehr Information und Transparenz. Die Studie bietet das präziseste Bild der Handelslandschaft und der Konsumentenausgaben in Österreich für die Jahre 2016 bis 2020 sowie eine fundierte Corona-Prognose für 2021 und geht tief in die einzelnen Produktgruppen hinein. Zudem haben wir den Fokus erweitert auf einzelhandelsnahe Sektoren, da diese zumindest bis zur Corona-Krise mehr und mehr in angestammte Bereiche des Handels eingedrungen bzw. mit dem Handel verschmolzen sind. Insgesamt haben wir 66 Produktgruppen und 14 einzelhandelsrelevante Kategorien definiert.

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